Also hier die versprochene Story, zwar etwas länger, aber nicht erfunden:
Es begab sich vor ca. 3 Jahren in der Nähe meines Heimatortes, daß ein erfolgreicher Selfmade-Mittelständler im besten Alter (ca. 50 Jahre, metallverarbeitendes Unternehmen mit ca. 150 Mitarbeitern) beabsichtigte seine kleine Villa in eine mittelgroße Villa umbauen und erweitern zu lassen (schätze die Umbaumaßnahme mal auf 300.000 - 400.000 €).
Dafür engagierte er nun jenes Architekturbüro bei dem er schon seit ca. 20 Jahren seine gewerblichen und privaten Baumaßnahmen planen und umsetzen ließ (da kam in der Vergangenheit einiges zusammen). Dort fühlte er sich in guten Händen. Bei dem besagten Architekturbüro handelte es sich um ein relativ kleines, aber nicht unbekanntes Büro mit einem guten Ruf aus der nächstgrösseren Stadt. Der Architekt und Bürogründer, ein Mann Mitte Sechzig, hatte seit ein paar Jahren seinen Sohn, Typ: arroganter Playboy, Mitte 30, Beruf Sohn, mit in den Betrieb aufgenommen, der ebenfalls an irgendeiner renommierten Hochschule Architektur bestanden hatte und sich nun anschickte in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und diesen an der Bürospitze abzulösen.
Der besagte Villenumbau wurde also vom Juniorchef betreut.
> Ja, ja wir kommen so langsam zum Kern der Geschichte...<
Die Entwurfs-, Planungs- und Ausschreibungsphase war abgeschlossen und die Bauphase begann. Ein kleiner Teil des bestehenden Wohnhauses wurde abgebrochen, eine neue Baugrube wurde ausgeschachtet und es wurde mit dem Bau eines neuen Kellers begonnen, in welchem der Wellnessbereich und das Weinlager ihren Platz finden sollten.
Die Bauleitung wurde natürlich ebenfalls vom selbstbewußten Juniorchef durchgeführt. Irgendwann am späten Vormittag, halbwegs regelmäßig ausschließlich bei gutem Wetter, parkte er dann seinen veredelten schwarzen Mercedes SL in sicherem Abstand zur Baustelle und machte sich im schwarzen Designeranzug, selbstverständlich mit schwarzem Hemd und blankpolierten schwarzen italienischen Lederschuhen, auf, um den Maurern und Betonbauern auf die Finger zu gucken.
Die kannten ihren Instrukteur schon nach wenigen Tagen recht gut, denn bei jedem Betreten des Baustellengeländes verkündigte dieser mit kräftiger Stimme: "Wenn der Architekt die Baustelle betritt, ruht die Baustelle". Das hieß für die Jungs vom Bauunternehmen jedesmal eine halbe Stunde außerplanmäßige Pause. Kreissäge aus, Kran aus und bloß keine Kelle mehr in die Hand nehmen.
Einzig der Polier mußte dann den Ausführungen des Architekten mit gesteigerter Aufmerksamkeit folgen. Doch auch dieser Dialog gestaltet sich nicht ganz einfach....
Problem 1: Erdarbeiten. So eine Baustelle ist ja von Natur aus schon etwas staubig, wenn dort aber auch noch vor einigen Tagen ein Kettenbagger sein Unwesen getrieben hat, findet man halt nur noch vereinzelt einen Rest vom englischen Rasen auf dem man sich sauberen Fusses bewegen kann.
Problem 2: Leitern. Wie soll man den bloß die Arbeiten im Obergeschoss in Augenschein nehmen ohne sich an einer Leiter den Anzug zu versauen?
Lösung: Wir bewegen uns ausschließlich auf befestigtem Terrain und kommandieren den Polier zu uns, damit wir gemeinsam, in sicherem Abstand zu Staub und Schmutz die Baustelle von außen in Augenschein nehmen können.
Eigentlich geht es bei der Bauleitung ja auch nur darum, daß man sich einen groben Überblick über den Baufortschritt verschafft. Alle notwendigen Angaben sind ja in den Ausführungsplänen und in der Ausschreibung mitgeteilt worden.
Nun gut, die Baustellle nahm ihren Weg, die Arbeiten schritten fort. Hier und da mußten die Handwerker halt selber nach Lösungen suchen, wenn der Architekt gerade mal wieder unter Höhenangst litt oder zufällig seine Gummistiefel zu Hause vergessen hatte. Der Bauherr und Unternehmer, ein bodenständiger, einfacher und vielbeschäftigter Mann hatte meist nur nach Feierabend Zeit den Baufortschritt an seinem Domizil zu bewundern. Er war aber im Großen und Ganzen zufrieden. Einzig sein junger Architekt erregte ihn ab und zu mit seiner "schnöseligen" Art und Sprüchen wie "was kostet die Welt".
Einmal begab es sich jedoch, daß der Bauherr tagsüber die Gelegenheit hatte seine Baustelle zu besuchen.
Zufälligerweise stand an diesem Tag auch wieder Bauleitung auf dem Programm. Der Bauherr befand sich auf Inspektion im neuen Keller und außerhalb der Sichtweite des nahenden Architekten. Dieser zelebrierte die gleiche Prozedur wie sonst, Mercedes sicher abstellen, vorsichtig mit den Designerschuhen zur Baustelle vortasten und dann den üblichen Spruch "Wenn der Architekt......" vom Stapel lassen.
Dummerweise war dieses Mal der Bauherr in Reichweite und dessen Antwort ließ nicht lange auf sich warten: "Ich bezahle diese Arbeiter, ich bezahle sie, so lange wie ich mich auf dieser Baustelle befinde, wird gearbeitet!"
Der Architektensproß durfte daraufhin noch die Rohbauarbeiten zu Ende betreuen und wurde dann von einem anderen Architekturbüro in seiner Tätigkeit als Bauleiter abgelöst. 20 Jahre Kundentreue waren damit beendet.....
Ja, ja, kein Reißer, ich weiß, aber eine Geschichte die ich mir persönlich zu Herzen genommen habe...
Ich denke, daß man als Architekt unbedingt bodenständig bleiben sollte und den Bezug zum einfachen Arbeiter und Kunden nie verlieren sollte.
So, jetzt ihr!