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Sputnik
ehem. Benutzer
 
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Sputnik is on a distinguished road

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Datum: 30.11.2005
Uhrzeit: 17:12
ID: 12077



Architektur oder das System der Connections

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Muß jetzt hier etwas loswerden:
Jetzt, 3 Jahre nach dem Diplom, kann ich sagen:-Ach,war das eine schöne Zeit, als man Schüler oder später Student war, als die eigentliche Leistung zählte. Die investierte Mühe zahlte sich aus -es gab ein Bewertungssystem, das dem Leistungsprinzip folgte. Man mußte nicht mit dem Prof Kaffee trinken gehen, Smalltalk mit dem Dekan führen oder dem Assistenten irgendeinen Gefallen tun, um voranzukommen. Bewertet wurde die eigentliche Arbeit sonst nichts.
Und dann kam die lustige Berufswelt. Schon im Studium, beim Job im Büro, hat man gemerkt, daß hier der Hase anders läuft.
Auf einmal zählte vordergründig nicht die Leistung, sondern die Kontakte. Da ich mehrere Jahre in einem Büro als Studi gearbeitet habe, konnte ich einige Bekannte aus den Hochschulseminaren "einschleusen". Nebenbei gab´s Jobs bei anderen Architekten (mal beim Wettbewerb einspringen, mal eine Visualisierung erstellen)-alles vermittelt durch "gute Bekannte" im Büro oder von der Hochschule.
Es kam, wie es kommen sollte -ich wurde übernommen. Neben mir zahlreiche andere, die hier mal einige Kontakte aufgebaut haben, auch wenn in dem Mappenberg bestimmt einige geeignetere Kandidaten gewesen wären. Auch Jobs, die extern vergeben wurden (3D, Modellbau)-alles an Leute, die irgendjemand von irgendwo kannte und "empfehlen" konnte.
Irgendwann war die Zeit reif, das Büro zu verlassen -auf einmal war das Angebot da, in einem anderen (guten) Büro anzufangen. Ein ehemaliger Arbeitskollege würde dort "eine wichtige Person" kennen, die brauchen gerade jemanden. Witzigerweise war zwei Tage davor ein Bekannter in diesen Büro mit seiner Mappe -"Sie können die Mappe da lassen, würde ich aber nicht machen, landet sowieso im Papierkorb, wir brauchen momentan NIEMANDEN".
Es folgte die Zeit der Selbständigkeit, also Wettbewerbe und kleine Aufträge finanziert durch 3D-Arbeiten. Und hier wieder das gleiche: ein Anruf aus einer anderen Stadt: ein ehemaliger Arbeitskollege hätte einen Job. Und dann der Anruf von einem ziemlich renommierten Büro, sie bräuchten mich für zwei Wochen 3D -Empfehlung vom Herrn X, angestellt bei meinem ehemaligen Arbeitgeber. Es sind zu dem Zeitpunkt gerade einige Wochen vergangen, als wir ein paar Flyer verteilten und auch in diesem Büro vorbeischauten: "Sowas machen wir nur intern"-hieß es damals noch. Wie auch die ganze Flyer-Aktion überhaupt kein Ergebnis einbrachte -alles was kam, war über Kontakte und Empfehlungen, auch noch weitere Jobangebote, die in der Zwischenzeit noch so eingeflattert sind...
Eigentlich dürfte ich mich nicht beschweren, da je bestimmte Verbindungen da sind. Daß aber das Vorhandensein von solchem Connections-Netzwerk über das Gelingen oder Scheitern eines Berufseinstiegs entscheiden kann, finde ich schon bedenklich.
Genauso geht es doch später weiter. Wieveiele Aufträge gewinnt man schon "ehrlich" durch einen Wettbewerb oder eine Auswahl nach Qualität? Entscheidend sind wieder Kontakte, bei den Investoren, bei der Stadt (habe es ja bei meinem Arbeigeber erfahren, wie es funktioniert)...oder man hat reiche Verwandschaft, die einem (wieder über Connection) paar Aufträge verschafft. Kaffee trinken mit Herrn X, Smalltalk mit Herrn Y, Golfen mit den Herren ABC oder auf ein Bier mit Hernr Z ist oft entscheidend für den Erfolg oder das Scheitern eines Büros. Habt Ihr auch schon ähnliche Erfahrungen gemacht?

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