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Datum: 09.03.2003
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Ich nehme PFUs etwas abwertende Äusserung über die "Oberflächlichkeit und Widersprüchlichkeit" der vorherigen Beiträge mal nicht als überheblich gemeint an, sondern als Provokation, uns zum Mitdiskutieren zu animieren ;-).
VUFs letzten Teil fand ich nicht wirklich hilfreich. Zum einen geht es um so ganz allgemeine Aussagen, auf der anderen Seite um eher unsinnige Wertungen, z.B. bei der Materialgerechtigkeit, die mir nicht nur subjektiv und auch falsch, sondern auch etwas polemisch erscheinen. Und dann wieder Qualitätsmerkmale, die mich an Ausschnitte der Länderbauordnung erinnern. Ich weiß, das war einfach erstmal eine Art Brainstorming, aber für mich gelten vieler dieser gemachten Aussagen absolut nicht, jedenfalls funktionieren sie nicht als allgemeingültige Qualitätskriterien.
Also bleibe ich mal bei dem, was PFU so geschrieben hat. Ich stimme Dir in den meisten Punkten zu, allerdings finde ich schon, daß man seine eigenen Ansichten auch mehr selbst formuliern könnte und nicht immer alles von großen Denkern leihen muß. Denn diese ganzen Zitate sind ja auch immer aus einem Kontext gerissen, den man nicht einfach als gekannt voraussetzen kann!
Was ich in meinem ersten Beitrag zu diesem Thema geschrieben habe, sollte auch nicht auf solche Kriterien wie die Funktion beschränkt bleiben. In jedem Fall MUSS sich ein Architekt mit einer Vielzahl von Themen auseinandersetzen und "Architektur hat nicht so sehr viele Themen, mit denen sie sich auseinanderzusetzen hätte" ist eine Aussage, die ich nicht unterschreiben würde.
Schon Vitruv beschreibt in seinen "Zehn Büchern über die Architektur", daß ein Architekt eigentlich von allem etwas wissen muß. Er muß im Kleinen ein Mediziner, ein Astronom, Ingenieur, Steinmetz... sein. Heutzutage leisten Kooperationen mit anderen Betrieben in gewisser Weise diese Zusammenführung von interdisziplinärem Wissen. Will man aber in der Umsetzung seiner architekonischen Ideen nicht immer von den Lösungsansätzen anderer abhängig sein, ist es besser man hat zumindest gute Grundkenntnisse auf diesen Gebieten.
Aber ich finde auch, daß es noch andere wichtige Gebiete gibt, die mehr über die Qualität aussagen können als funktionale Bereiche. Wie PFU schon erwähnt hat und ich auch in meinem Beitrag andeutete, ist die Wirkungspsychologie ganz entscheidend. Was lösen z.B. bestimmte Proportionen beim Betrachter aus. Hierzu gibt es sehr viele Abhandlungen aus dem 19. Jhd., z.B. Heinrich Wölfflins Dissertation "Prolegomena zu einer Psycholgie der Architektur" oder Edmund Burkes "Philosophische Untersuchungen über den Ursprung unserer Begriffe vom Erhabenen und Schönen". In einer Zeit, in der plötzlich das Metaphysische an Bedeutung verliert und die Aufklärung Platz für wissenschaftliche Erkenntnisse macht, sind erstaunliche Werke entstanden, die zum großen Teil auch heute noch Relevanz finden und zwar genau aus diesem Grund, weil sie sich mit der allemeinen Wahrnehmung, Psychologie und der Frage nach der Allgemeingültigkeit des "Schönen und Erhabenen" beschäftigen. Um die Wirkungen, Bedingungen und Lösungen zu finden, die ich als Entwickler meinem Gebäude/ Entwurf geben möchte, muß ich mich mit diesen menschlichen Gebenheiten auseinandersetzen, sonst ist die Wirkung eher eine zufällige - wenn man Talent hat vielleich noch intutitiv - aber eben Willkür.
Die Thematik, die VUF ansprach vom "Tragen und Lasten", ist natürlich die grundlegenste und die Reliefbildung in der Fassade bzw. die Dreimensionalität sind das Grundvokabular der Architektur. Aber ich würde sie auch als Grundvoraussetzung nehmen, um überhaupt von Architektur sprechen zu können, oder? Architektur ist Abgrenzung eines Raums vom unendlichen Raum, sie ist Fügung von Räumen und sie unterliegt den Gesetzen der Schwerkraft. Ohne diese Merkmale existiert sie nicht.
Das Thema ist einfach unglaublich vielschichtig und komplex. In der Lehre und auch bei vielen Studenten wird die Architektur jedenfalls viel zu oft nur als Objekt mit einer Fassadengestaltung begriffen. Im Städtebau mag das noch gelten, aber für eine gute Architektur zählt die Raumbildung mindestens genauso. Dabei, finde ich allerdings, ist die Form - also der Körper bzw. Raum - nicht unschuldig.
Ich wäre sehr dankbar, wenn Du (PFU) diesen Absatz aus Deinem Beitrag nochmal erläutern könntest. Er klingt zwar gut, aber er macht gerade in Bezug auf Deine späteren Aussagen noch keinen Sinn für mich. Vielleicht habe ich ihn nicht richtig interpretiert...
So viel für heute... aber es geht hoffentlich weiter!
Grüße aus dem verregneten Berlin,
Samy |