Zitat:
Originally posted by Maller Na wenn mir schon so eine Steilvorlage gegeben wird da sag ich doch nicht nein.
Das ME hat eine sehr beschränkte Grundauffassung von Architektur.
Dies wird in der Reihe "Aufgabe -> Prozess -> Entwurf" deutlich.
Das heißt es beschränkt die Architektur auf dienende , masochistische , wunscherfüllende und aufopferungsvolle Tätigkeiten. Diese Auffassung hat zu dem heute üblichen "form follows all" Anspruch geführt in dem sich funktionale und fictionale Forderungen zusammenballen. Das heißt wir finden heute eine Situation vor in der wir aus "alles" etwas raussuchen müssen mit dem wir gestalten und das ohne Wissen über zukünftige Ziele und Aufgaben. Das ist nämlich ein Charakter der heutigen Zeit dass die Ungewissheit über künftige Ziele immer deutlicher wird. Das heißt es geht immer mehr um die Schaffung von Möglichkeiten und das finden neuer Ziele mit Hilfe dieser Möglichkeiten.
Das ME oder besser der Verfasser des ME erkennt und versteht gar nicht diese Art der Gestaltung.
Darf ich als Gestalter Dinge die ich nicht verstehe zu nicht existent erklären und auf dem was übrig bleibt eine Gestaltung aufbauen?
Sicher darf ich das. Aber das ist keine Lehrmethode sondern ein Entwurf. |
An den eingegangenen Beiträgen erkenne ich und bedauere sehr, dass kein ernsthafter Wille vorhanden ist, sich in die zugegeben umfangreiche Materie des ME zu vertiefen. Stattdessen wird das Ganze als „Steilvorlage“ betrachtet, um des Kritikers Steckenpferd „Gestaltung“ zu reiten. Wer aber z.B. eine Torte vor sich stehen hat und diese ohne sie probiert zu haben nur nach ihrer Form und Dekoration beurteilen will denkt oberflächlich und kann nur ein beschränktes Urteil abgeben. Es steht daher, nach reiflicher Überlegung meinerseits, mein Entschluß fest, mich endgültig von tektorum zu verabschieden.
Joh.
Meine Antworten an Maller
Maller schreibt:
„Das ME hat eine sehr beschränkte Grundauffassung von Architektur.“
Meine Antwort:
Bereits früher habe ich darauf in tektorum geantwortet und ich wiederhole diese zum 2. Mal:
In Anlehnung an Johann Wolfgang Goethes Ausführungen in „Baukunst 1795“ bevorzuge ich den aus der Mode gekommenen Begriff Baukunst. Goethe verweist darauf, daß der Begriff Baukunst nicht als bloße Zusammenfassung der Teildisziplinen Bauen und Kunst begriffen werden darf, sondern vielmehr als „höchster Zweck“ des Bauens. Er entwickelt dazu
m e t h o d i s c h vier Stufen, die erklommen werden müssen, bis ein Gebäude zu einem Werk der Baukunst werden kann. Es handelt sich dabei um:
1. die Kenntnis des Materials: „Die Baukunst setzt ein Material voraus, welches zu dreierlei Zwecken stufenweise angewendet werden kann. ... Der Baukünstler lernt die Eigenschaften kennen und läßt sich entweder von den Eigenschaften gebieten, ..., oder er zwingt das Material ...“ mittels mechanischer Kenntnis und Einsicht in komplizierte Konstruktionen.
2. die Nutzung des Gebäudes: „... das Notwendige mit Bequemlichkeit vollbringen zu können.“
3. die Harmonie in sinnlicher Wahrnehmung und körperlicher Bewegung: „Hier tritt die schwere und komplizierte Lehre von den Proportionen ein, wodurch der Charakter des Gebäudes und seiner verschiedenen Teile möglich wird.“
4. die Poesie, durch die ein Gebäude wirklich zum Kunstwerk wird: „welcher, ..., die Überbefriedigung des Sinnes sich vornimmt und einen gebildeten Geist bis hin zum Erstaunen und Entzücken erhebt; es kann dieses nur durch das Genie, das sich zum Herrn der übrigen Erfordernisse gemacht hätte, hervorgebracht werden; es ist dies der poetische Teil der Baukunst, in welchem die Fiktion eigentlich wirkt.“( Goethe, Johann Wolfgang: Baukunst <1795>. in: Goethes Werke, hg. i. A. der Großherzogin Sophie von Sachsen. Weimar 1887-1919, I 47, S. 68)
Diese von Goethe formulierten Grundsätze über Baukunst habe ich verwendet, um daran die Unterrichtsstufen des Methodischen Entwerfens (ME) zu orientieren. Allerdings bin ich der Auffassung, daß lediglich die ersten drei der genannten Stufen l e h r b a r sind. Die vierte Stufe, nämlich die der P o e s i e, ist es nicht, denn diese basiert auf außergewöhnliche Begabung im Entwerfen.
Was ist Methodisches Entwerfen (ME)
Es ist ein berufsorientiertes Unterrichtsmodell zur Ausbildung von Architekturstudierenden in Form organisierten Lernens durch eine planmäßige, methodisch durchdachte Vorgehensweise.
Ausgehend von einer Entwurfsaufgabe, umfaßt es die Gesamtheit aller Tätigkeiten, mit denen die notwendigen Leistungen erarbeitet werden für die Zielsetzung, Vorbereitung, Durchführung und Herstellung eines Entwurfs sowie die Erarbeitung der erforderlichen Genehmigungsvorlagen. Dabei ist einschränkend zu bemerken, daß eine Entwurfsaufgabe in ihrer Gesamtheit nicht ausschließlich auf objektivem, formalisierbarem Wege lösbar ist, sondern auch Intuition und kreative Entscheidungen erfordert.
Maller schreibt:
„Dies wird in der Reihe Aufgabe -> Prozess -> Entwurf deutlich. Das heißt es beschränkt die Architektur auf dienende, .... Das ist nämlich ein Charakter der heutigen Zeit dass die Ungewissheit über künftige Ziele immer deutlicher wird. .... „ usw. usw. usw.
Meine Antwort:
Vor diesen, Ihren hochgestochenen Ausführungen, muß ich passen!
Maller schreibt:
„Das ME oder besser der Verfasser des ME erkennt und versteht gar nicht diese Art der Gestaltung.“
Meine Antwort:
Wie schön, dass S i e „diese Art der Gestaltung” verstehen. Ich verstehe sie in der Tat nicht. Siehe oben die Aussagen von Goethe und meine Konsequenzen daraus für das Unterrichtsmodell ME.
Joh.