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Nils01: Offline
Ort: Konstanz
Hochschule/AG: Tutor Lehrstuhl Prof. Schenk 03/04 Beitrag
Datum: 19.09.2006
Uhrzeit: 22:14
ID: 18499 | Social Bookmarks:
Hallo Florian, hallo Rest
ich habe mir Euren Aprilscherz und die Diskussion zu Gemüse, äh, Gemüte geführt - es ging ja hauptsächlich um Studiengebühren und deren Auswirkungen. Davon bin ich kein Fan, da schon jetzt die Studenten aus reichem Hause unverhältnismäßig stark bevorteilt werden - 10 Stunden "echte" Arbeit pro Woche neben dem Studium machen einfach viel aus, und jemand, der Bafög bekommt, muss schon so viel arbeiten, um über die Runde zu kommen, mit all den teuren Modellen, Plotkosten, Exkursionen etc. Bei höheren Studiengebühren werden aus den 10 locker 15-20 Stunden...
Man sollte schon angemessen entlohnt werden, wenn man 5 Jahre Stress-Studium hinter sich gebracht hat - und volkwirtschaftlich gesehen sollte man es dem Staat ja auch wieder zurückzahlen, also tätig sein in dem Beruf, den man gelernt hat.
Beides ist bei Architekten nicht der Fall. Die existentielle Unsicherheit ist ständiger Begleiter - mit 25, nach dem Diplom, mit 35, wenn es mit der Familie ernst wird, mit 45, wenn man seine Famile ernähren und seinen Kindern etwas ermöglichen möchte, mit 55, wenn man damit rechnen muss, aussortiert zu werden, und mit 65, wenn die Rente eher mager ist. Überall droht der Abstieg, der Fall, die Krise, ein Unfall, eine schwere Krankheit oder akut schlechte Auftragslage können das Ende einer Anstellung oder einer Selbständigkeit bedeuten, eines Verhältnisses, das üblicherweise eh durch Überstunden und selbstfinanzierte Fortbildungen, relativ geringes Gehalt und hohe seelische Belastung geprägt ist.
Die Gehälter stagnieren, in meinem Bekanntenkreis sind 2400 Euro brutto für erfahrene Architekten um die 35 Jahre keine Seltenheit mehr. Von Lohnerhöhungen spricht auch niemand mehr. Einstiegsgehälter von 2000 Euro werden als sehr gut angesehen. Das reicht zwar für die Gegenwart, doch mit einem Auto, einer Wohnung und zwei Kindern kann sich ein Architektenpärchen kaum Rücklagen bilden. Und selbst die sind im Falle von Harz 4 schnell aufgebraucht.
Ich bin nicht noones Meinung, daß der Arbeitsmarkt ausschließlich von der Nachfrageseite abhängt - es gibt eindeutig ein Überangebot an ausgebildeten Architekten, die sich selbst und der etablierten Konkurrenz das Leben schwer machen.
Die einzige Größe, die sich auf dem Arbeitsmarkt seit jahren nicht oder nur zum Schlechten verändert, sind die Absolventenzahlen. Gehälter, Toleranzbereitschaft gegenüber schlechten Arbeitsbedingungen, Flexibilität von Büros, Fortbildungsbereitschaft, Nischenfüllung und Pioniergeist haben sich alle den verschärften Bedingungen angepaßt - nur die Länder bilden immer noch mit Volldampf Architekten für einen immer enger werdenden Markt aus.
Diejenigen, die entscheiden - Landespolitiker, Kammerfunktionäre und Hochschullehrer, haben weder persönlich noch beruflich den Anlaß, sich für eine Reduktion der Studienplätze stark zu machen. Ich habe das Gefühl, es ist ein System, das sich nicht selbst korrigieren kann.
Welcher Dekan würde für die Schließung seiner Fakultät eintreten? Welcher Prof. würde seine sichere Arbeitsstelle infrage stellen?
Welcher Kammerfunktionär würde die Mitgliederbasis seiner Organisation schädigen? Und welcher Bildungspolitiker würde sich gegen den aktuellen Trend stellen, der Deutschland einen Akademikermangel attestiert?
Das Problem wird von denen ausgesessen, die es persönlich oder beruflich nicht mehr existentiell betrifft - auf den Rücken derer, die das Studium auf den Markt entläßt oder entlassen hat.
Bitte also noch weitere Reaktionen zur die Initiative
"Weniger-Architekten-Ausbilden"
Nils |