Ihr Problem ist die formale Reduzierung der Elemente. Im historischen wie aktuellen Gebrauch (der durchaus noch vorkommt) haben diese Elemente auch eine statische Funktion und sind nicht reiner, wie der Herr Hiller glauben machen will, insbesondere die Säule. Daher auch, wenn ich eben kurz funktionalistisch interpretieren darf ohne jegliche ikonographische Bestandteile der Elemente, die aber vorhanden sind und meinen zeitlichen Rahmen an diesem Morgen sprengen würden, stellen Kapitell und Basis durch ihre Verbreiterung eine größere Fläche zur Kraftübertragung zur Verfügung. Ich muß nur einen Block weiter gehen und habe die moderne Säule an der Pinakothek der Moderne, Sie in Berlin müssen nur zum Baumschulenweg ins Krematorium fahren. Daß ich in einem Sichtbetonbau kein korinthisches Kapitell einsetzen kann dürfte unmittelbar einsehbar sein. Säule = zunächst Stütze. Das sieht auch die Architekturtheorie durch die Bank so. Wenn es dann darum geht welche Ordnung etc. sind wir im ikonographischen Bereich.
Den Giebel interpretiere ich ebenfalls funktionalistisch. Übrigens ist dieser ein Element, das ja eher der "niederen" Sphäre der Archiktektur zuzurechnen ist, an Schinkels Bauakademie findet er sich nicht, nicht am Schloß, an keinem halbwegs ernstzunehmenden Palais in ganz Europa, dafür umso mehr in mittelalterlichen Altstädten repsektive ihren restaurierten Versionen (Münster - wo es übrigens auch traufständige Häuser gab). Grund: Flächengewinn, i.a. Lager und Nebenräume bei gleichzeitiger brauchbarer Belichtung im Vergleich zur giebelständigen Variante. Möglichkeiten der Abdichtung kannte man damals noch nicht in diesem Maße. Bei großen Landhäusern des 19. Jhd mit Giebeln ist die Frage, wie diese genutzt sind, leicht zu beantworten: sicher nicht vom Hausherrn. Gestalterischer Zusatz ohne Funktion. Das gabs bei Palladio nicht. Im "modernen" Einfamilienhausbereich ist der Giebel zunächst einmal eine Notwendigkeit durch Gestaltungsvorschriften der Lokalfürsten, dann im zweiten Schritt ein Problem. Sie müssen sich nur mal umschauen auf der grünen Wiese, abstruse Sachen mit schrägen Fenster usw., finden Sie auch nur hier in Deutschland, schon mal in Frankreich ein schräges Fenster gesehen? Giebel sind kein großzügiges Element, wie ich finde, und nie gewesen, entweder bloßer Zierrat oder funktional untergeordnet. Und da Sie heute kein Kontorhaus planen wollen... Um Herrn Hillers Auge zu erfreuen wird sich kein Bauherr bereit erklären, einen Giebel zu finanzieren, wo er nicht notwendig ist.
Zitat:
Gar auf herrn rößlers netzpräsenz
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Wie war das mit der Kleinschreibung? Hat das nicht Gropius auch gemacht...?
Nachdem wir dies geklärt haben ist nun die Frage warum ich keinen Giebel bei meinem Wohnungsbau auf meiner Netzpräsenz (genau den, den Sie heute angesehen haben) eingesetzt habe ganz konkret. Die Umgebung ist allesamt (Schwabinger Krankenhaus 1. Drittel 20. Jhd) traufständig, Punkthäuser im Norden mit Flachdach, die rechts angrenzende postmoderne Wohnanlage mit Walmdach und vereinzelt rausschauenden
Giebeln. Was ist dahinter? Eine Miniwohnung mit Dachschrägen etc. ich glaube nicht daß Sie da einziehen wollten, und nur um Herrn Hillers Auge zu erfreuen auch wenn's anders geht, nein. Warum keine Säule? Weil ich sie für einen Wohnbau der mittleren Klasse wie er hier ist nicht angemessen finde, das ist kein Palais für einen Großindustriellen o.ä., und das Problem der Gründerzeit besteht in der inflationären, nicht angemessen Verwendung von Säulen u.a. Zierrat. Wenn Sie genau hinschauen habe ich ein anderes Element wiederbelebt, den Erker, was auf leichten Widerstand stieß, dann aber akzeptiert wurde. Grund: funktional wie ästhetisch sinnvoll durch Gliederung eines langen Baukörpers und Heraustreten in den Straßen respektive sonstigen Freiraum, das ist ja auch historisch der Grund für. Wird auch in aktuellen Wohnbauten wieder eingesetzt. Warum kein Walmdach, Nutzung von Dachterrassen und paßt gestalterisch sonst nicht zusammen. Warum keinen Stuck vor die Fassade, ist ein Wärmedämmverbundsystem, muß ja, bedanken Sie sich bei der neuen WSchVO, hält ganz sicher nicht, und wäre auch nicht angemessen. Übrigens gabs auch Sichtbetonentwürfe mit Ganzverglasung. Sie hätten sich dann sicher für meinen entschieden ;-)
Zitat:
setzt man dem archstudium ideologiefreiheit voraus lässt-sieht man aber zeitgleich die auf grundformen reduzierte formensprache aktueller architektur- so folgt daraus eine natürliche überlegenheit der "zeitgemässen" stilmittel
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Nicht schon wieder den armen Loos! Ganz gelesen? Sullivan? Auch ganz gelesen? Seine Bauten gesehen?
Zum einen ist die Folgerung für mich nicht ganz schlüssig, zum anderen glaubt jede Zeit an Ihre formale Überlegenheit. Sie muß dies ganz zwangsläufig tun. Unsere glaubt auch teilweise zu Recht an die Überlegenheit ihrer konstruktiven und technischen Mittel. Warum fordern Sie nicht demnächst die Abschaffung des ICE und Ersetzung durch den Orient Express? "Warum kommen im modernen Eisenbahn- und Autobau so wenig klassische Stilelemente zum Einsatz ?" Wie wärs, wenn wir in den ICE das Interieur eines OE hineinbauen? Die Form und ihre Überlegenheit erklärt sich aus der Ubiquität aktueller Materialien und ihres ihren Möglichkeiten angemessenen Einsatzes.
Genug für heute,
Einen schönen Tag noch,
j.-ch. r.
Ich bin übrigens dafür, daß hier eine Frakturschrift für die Tradi-Fraktion angeboten wird. Sie soll sich auch visuell dann besser bemerkbar machen können. Florian?