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Hochschule/AG: Professor, emeritiert, freiberuflicher Unternehmensberater für den Baubetrieb Beitrag
Datum: 01.04.2010
Uhrzeit: 21:52
ID: 38508 | AW: Wie geht es den Absolventen der Landschaftsarchitektur?
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Der ernst zu nehmende Beitrag von Winfried verdient einen Kommentar. Der Vorwurf gegenüber den Hochschulen ebenso.
Das Datenmaterial aus den letzten 5 Absolventenbefragungen (1996-1999-2002-2005-2008) ist sehr umfangreich und wurde in einigen Diplomarbeiten vertieft ausgewertet nach der einen oder anderen spezifischen Fragestellung. Was solche Untersuchungen nicht leisten können, sind repräsentative Aussagen über die typischen Karrieren und Brüche im Verlauf eines Berufslebens. So gibt es nur punktuelle Untersuchungen aus der einen oder anderen Perspektive. Da wäre z. B. die Arbeitslosenstatistik der Agentur für Arbeit oder die Statistik der Bundesarchitektenkammer. Alle diese Daten haben ihre Berechtigung und ihre Grenzen. Die Gespräche von Winfried mit einigen Kommilitonen haben wohl auch ihre Grenzen, was die Repräsentativität angeht.
Wir verzichten aus Kapazitätsgründen auf eine kommentierende Veröffentlichung der Daten. Lediglich die Umfrage von 1996, das ist wohl die, an der Winfried teilgenommen hat, wurde in Form einer FLL-Broschüre publiziert. Dort kann man zur Aussagekraft der Umfrageergebnisse Folgendes lesen: „Da keine Informationen über die genaue Größe und Zusammensetzung des Berufsfeldes vorhanden sind, kann auch nicht festgestellt werden, in welchem Grade mit den eingegangenen Fragebogen ein repräsentativer Querschnitt geboten wird. Für eine gute Repräsentativität spricht der hohe durchschnittliche Rücklauf. Die Motivation, einen Fragebogen zurückzusenden, wird allerdings bei den Befragten, die in einem Beruf entsprechend ihrer Ausbildung beschäftigt sind, größer sein, als z.B. bei einem Arbeitslosen. Auch kann davon ausgegangen werden, daß die Rücklaufquote mit der persönlichen Zufriedenheit mit dem Thema Landespflege zusammenhängt. Es kann letzten Endes nicht festgestellt werden, wie sich die Gruppe der Befragten, die nicht geantwortet hat, genau zusammensetzt.“
Soviel zum verantwortungsvollen Umgang mit Statistik. Natürlich haben die statistischen Daten eine Schiefe, wissenschaftlich „Bias“ genannt. Wenn wir die Ergebnisse und Grafiken in der Studienberatung einsetzen, weisen wir auch darauf hin. Sind die Daten deshalb wertlos? Ich meine nicht. Der Bias ist bei jeder Befragung vorhanden und verliert seine Bedeutung, wenn man die Entwicklung im Zeitablauf, die Gegenüberstellung der drei Vertiefungsrichtungen oder die Unterschiede zwischen den einzelnen Hochschulen betrachtet.
So lässt sich ohne Einschränkungen behaupten, dass der Stellenmarkt für Absolventen der Landschafts- und Freiraumplanung stärker überlastet und konjunkturanfälliger ist als der des Landschaftsbaus. Warum aber gehen die Studieninteressenten vor allem in die Freiraumplanung und nur wenige zum Landschaftsbau? Zum Teil hat das mit den entsprechenden Angeboten der Hochschulen zu tun, zum Teil auch mit der attraktiven, aber nicht ganz treffenden Überschrift „Landschaftsarchitektur“. Es hat aber auch mit dem Wunsch nach einem „schönen“ und interessanten Beruf und einem nicht zu anstrengendem Studium zu tun. Und wenn man dann im Studium ist und die Wahl hat, widmet man sich lieber der großzügigen Entwurfsplanung und nicht der popeligen Ausführungsplanung (um nur ein Beispiel zu nennen).
Zu den Motiven bei der Studienwahl hätte ich auch noch Umfrageergebnisse anzubieten, die garantiert keinen Bias (Vollerhebung) haben. Die Erstsemesterbefragungen der FH Osnabrück erkundigen sich u. a. nach den Gründen für die Studienwahl. Zugelassen waren Mehrfachnennungen und es ergab sich folgendes Bild:
Bachelorstudiengang Landschaftsentwicklung:
1. Interesse an der Natur 94,7 %
2. Verantwortung für die Umwelt 79,0 %
3. Fachliches Interesse 68,4 %
4. Berufsaussichten 21,1 %
Bachelorstudiengang Freiraumplanung
1. Fachliches Interesse 93,2 %
2. Interesse an der Natur 77,3 %
3. Verantwortung für die Umwelt 25,0 %
4. Berufsaussichten 15,9 %
Bachelorstudiengang Ingenieurwesen im Landschaftsbau
1. Fachliches Interesse 100,0 %
2. Interesse an der Natur 65,9 %
3. Berufsaussichten 38,6 %
4. Verantwortung für die Umwelt 11,4 %
Was soll man dazu sagen?
Dem abschließenden Statement von Winfried „Dies ist ein Grund, weshalb sich jeder sehr gut überlegen sollte, Landschaftsarchitektur zu studieren“ kann man nur zustimmen. Das gilt ganz allgemein für jedes Studium und ganz besonders für Studiengänge, die man eher als Verlegenheitslösung oder aus Liebhaberei ansteuert. Aber die Berufsaussichten sind es offensichtlich nicht, weshalb man so etwas studiert.
Nun hoffe ich, dass sich noch die eine oder andere Stimme zu diesem Thema meldet. Repräsentativer als unsere Hunderte von Befragten wird das aber sicher auch nicht sein.
Noch ein Wort zu dem Einwand, es werde „bei solchen Befragungen von Seiten des Befragten sehr oft geschummelt“? Wenn man sich die Mühe macht, einen 11-seitigen Fragebogen auszufüllen und sehr differenzierte Meinungen auf die zahlreichen offenen Fragen zu formulieren, aus welchen Motiven heraus sollte man da schummeln? Bei einer anonymen Befragung? Wer sich die ausgefüllten Fragebogen anschaut, erkennt nur eine große Ernsthaftigkeit bei den Befragten und nichts anderes.
__________________ Wolfgang Ziegler |