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flash
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Datum: 14.08.2010
Uhrzeit: 21:37
ID: 40423



AW: Sozialistische Architektur?! #17 (Permalink)
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Eine doch sehr anregende Diskussion hier aber irgendwie weiß ich nicht so recht wo man hier anfangen kann "Wahrheiten" oder "Fakten" festzuklopfen. Denn ich finde bevor wir über die im Threadthema angesprochene sozialistische Architektur sprechen können, muss erstmal klar werden was wir ihr unter Sozialismus verstehen. Auch wenn hier nicht (wie torgalf) meint hier nicht alles wiedergekaut werden soll was schon alles gesagt und definiert wurde, so scheint es doch hilfreich wenn man weiß, dass es laut Wikipedia:
Der Begriff war nie eindeutig definiert und umfasst von Parlamentarismus und Demokratie akzeptierenden sozialdemokratischen, nur reformerischen Bewegungen bis zu revolutionär entstandenen, kommunistisch-totalitären oder autoritären Systemen (Realsozialismus) viele Varianten.
Wie sehen wir also hier das Bild vom Sozialismus - torgalf sagt hier stehe das Individuum an höchster Stelle, bei fst klingt die Besserungsanstalt und sogar das Gulag an.

Hierzu möchte ich gern ein paar gedanken los werden: Wie ich oben schon erwähnte habe ich eine gewisse Erfahrung mit dem Realsozialismus (DDR) - positive wie nagative - hier wäre die Enteigenung meiner Großeltern (einfache Bauern mit 5 Kühen und ein bisschen Land) in den 60er Jahre zu nennen, die polistische Verfolgung einiger meiner Verwandter und Bekannte, die zur Haft in Bautzen oder der Ausreise in den Westen führte - auf der anderen Seite aber auch gute Erinnerungen an Gemeinschaftserlebnisse (Kindergarten, Feste, Schule) und die aufgrund des Mangels an Waren herrschende Hilfsbereitschaft der Menschen untereinander (quasi aus der Not heraus). Um das auch nochaml auf eine architektonische Erfahrung runterzubrechen und gleichzeitig die oben anklingende Kritik der (bösen und monotonen) Plattenbauten zu entkräften. Die waren nämlich zu ihrer Zeit hoher Standard und hatten funktionierende Hausgemeinschaften. Auf der anderen Seite wurden identitätsstiftende Altstadtviertel abgerissen und Kulturerbe ging verloren. Kritik vom Bürger war unerwünscht und wurde bestraft und wurde erst im Zuge der Wende als das System schon am Ende war möglich. Was ich sagen möchte, ist dass ich auf keinen Fall in dieses System zurückkehren wöllte, aber ich ihm auf jeden Fall auch gute Seiten abgewinnen kann und deswegen eine differenzierte Sichtweise befürworte.

Folgende Anmerkungen möchte ich auch noch gern in die Diskussion einbringen, sind aber recht bunt durcheinander gewürfelt:
Torgal kritisiert die Vertikale Anordnung der kapitalistischen Architektur im Gegensatz zur horizontalen sozialistischen. Generell würde ich diese Aussage in Zweifel ziehen da kapitalistische Architektur zwar auch Wolkenkratzer sind aber auch das flächenhfte Phänomen des Einfamilienhauses. Weiter ist dazu zu sagen, dass die Vertikale eine Phänomenologische Grundgegenbenheit des Menschen ist in Bezug zu der Welt in der er sich befindet und nicht von vornherein schlecht geredet werden kann.
Dann klingt in der Diskussion auch ein Glücksversprechen an – der Sozialismus soll "dem Arbeiter" eine gutes und schönes Leben ermöglichen. Er macht also ein dieseitiges Heilsversprechen und steht damit in Konkurrenz zu Ideologien wie dem Liberalismus oder eben dem Kapitslismus. Diese sind Phänomene der Moderen die erst durch den technischen Fortschritt und die Negierung jeglicher Religion möglich werden (diese machen ja Jenseitige Heilsversprechen)
Doch auf wieviel verschiedene Weise kann man das Glück und das Gute, das gelungene Leben Finden – ich bezweifle, dass eine Ideologie wie der Sozialismus noch eine Zeitgemäße Antwort auf diese Frage sein kann. Denn jegliche Ideologie ist mit dem Scheitern der modernen Projekte und Ansprüche fraglich geworden.
Warum soll Bezug auf Gemeinschaft immer gut sein? Ich weiß, das der Mensch ein soziales Wesen ist, er braucht die Gruppe die ihm Identität verleiht aber er muss sich auch abgrenzen können und Raum für individuelle Entwicklung haben
Ein weiterer Kritikpunkt in der laufenden Diskussion sind die noch nicht angesprochenen neuen Kommunikationsmittel, die die Welt so grundlegend verändert haben – die Räumiche Trennung von den Menschen scheint nahezu aufgehoben und bietet auch in Bezug auf wer Produzent und was Produktionsmittel sind neue Möglichkeiten. Was wäre zum Beispiel der These zu entgegenen, dass den architekten heut möglichkeiten in die Handgegenben werden, die sie lange nicht mehr hatten. Neue Produktionsmittel durch CAAD und 3D-Druck geben ihnen ungeahnten Spielraum zurück.

Außerdem fällt es mir schwer zu bestimmen was heutzutage böse und gut ist wer ein Kaptalist und wer ein Arbeiter ist – diese Kategorien sind überkommen wie ich finde, obwohl ich das misverhältnis zwischen den Besitzenden und den Mittellosen auf keinen Fall bestreiten will. Aber er ist eben ein totales schwarz weiß denken und so einfach ist die Welt nicht. Ich teile also die Bedenken zur heutigen Welt aber man muss auch sagen dass man sehr viele Wege hat sich dem System zu entziehen nur die Masse zu träge ist das zu Tun denn sie sucht ihr Glück im Besitz von Materiellem. Ich finde es ist in Europa so einfach im Vergleich zu anderen Teilen dieser Welt zu leben und aktiv sein Leben zu gestalten. So etwas gab es zu mindest in Deutschland so noch nie zu vor.
Soweit erstmal. Ziemlich wirr manchmal aber ich hoffe man kann ein paar Gedanken verstehen.
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[...selbst das Vertraute ist nur wohl bekannt, solange man darauf verzichtet, genau hinzusehen.] [Daniel Kehlmann]

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