Zitat:
Zitat von bezett Häuser von Peter Behrens instandzusetzen oder denkmalwürdige Industriebauten umzunutzen ist das Eine.
Das Andere ist die Anzahl an Durchschnittsware der Architektur, die saniert/umgenutzt/erweitert werden will.
Willst Du im Kahlfeldtschen Sinne die postmoderne Kreisparkasse Pinneberg weiterbauen? |
Jetzt ist mir nicht ganz klar, um was die Diskussion gehen soll: die Erweiterung und/oder Umnutzung bestehender Gebäude, oder die Frage einer städtebaulichen Bezugnahme von unterschiedlichen Gebäuden aufeinander? Im ersteren Fall wird man ein Gebäude dann nicht "weiterstricken", wenn man in ihm nicht eine architektonische Mindest-Qualität erkennen kann. Allerorten werden solche Gebäude gegenwärtig entsorgt, der "postmodernen Sparkasse Pinneberg" wird möglicherweise das gleiche Schicksal zuteil werden. Es sei denn, jemand schafft sich einen originellen Zugang, entschlackt hier, abstrahiert dort ein wenig und schält eine Substanz hervor, mit der man möglicherweise weiterarbeiten kann.
Ohne die Kahlfeldtschen Thesen im Detail zu kennen, kann ich nur zur Frage des "Weiterstrickens" einzelner Gebäude feststellen, dass es da einen deutlichen Shift gegeben hat zwischen den 1990ern und den 2000ern: Wo man früher allzu deutliche Kontraste in Konstruktion, Materialität, Farbe etc. bevorzugt hat, eine zu große Ähnlichkeit zum Bestehenden als unangenehme Vermischung von Alt und Neu empfunden hat, herrscht nun der Ansatz einer größeren ästhetischen Verwandtschaft vor. Das Bedürfnis, Alt und Neu bis in die letzte Ausbauschicht noch klar erkennbar zu trennen, haben Leute wie Carlo Scarpa perfektioniert. Mit diesem Vorbild habe ich noch studiert. Heute hat man kein Problem, an eine historische Backsteinwand ohne visuelle Fuge einfach anzubetonieren.
Wer in den 1990ern einen Altbau aus dem 19. Jh. in ein Tagungszentrum oder eine Fortbildungsakademie umgebaut hat, tat dies mit Stahl, Glas und Aluminium, vorzugsweise mit einer knalligen Akzentfarbe und maximierte so mit recht durchschaubaren und einfachen Mitteln den möglichen ästhetischen Kontrast. Wenn heute alte Industriebauten ergänzt oder modifiziert werden, hat man keine Scheu, den hist. Backstein mit einem neuen, fast gleichfarbigen Stein zu ergänzen; man arbeitet mit eingefärbtem Beton oder Anstrichen, die die Nähe zur hist. Steinfarbe suchen (z.B. HdM / Museum Küppersmühle, Ortner & Ortner / Landesarchiv NRW).
Die Frage des angestrebten ästhetischen Kontrastes betrifft auch neue, in sich geschlossen gestaltete Gebäude: Chipperfield kombiniert z.B. in Marbach Muschelkalk als Natursteinplatten mit Muschelkalk-Zuschlägen im Sichtbeton. Die starke ästhetische Nähe und doch erkennbare Differenz hat mich zunächst irritiert und scheint mir auch heute noch nicht ganz überzeugend. Für mich persönlich kann ich aber schon sagen, dass der allgemeine Trend zu schwächeren Kontrasten im Laufe der letzten Jahre auf mich abgefärbt hat, d.h. dass ich subtilere Kontraste gegenüber allzu plakativen Differenzierungen mittlerweile bevorzuge. Die Frage ist sehr interessant und weitreichend; ich glaube, dass man die ganze Kunstgeschichte einmal unter dem Aspekt wechselnder Kontrast-Ideale beleuchten könnte.
Für die Musik (-geschichte) ist die Frage genauso bedeutsam.
Kohärenz und Kontrast sind m. E. zwei Pole einer weitgespannten Skala. Die Frage ist nicht, ob das eine oder das andere, sondern wo dazwischen. Und dieses Wo ist sehr individuell zu beantworten.
T.