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Moppelhuhn
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Moppelhuhn: Offline


Moppelhuhn is on a distinguished road

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Datum: 18.07.2017
Uhrzeit: 03:58
ID: 56541



AW: Aufzug und Rettungswege für Maisonette im Hochhaus #4 (Permalink)
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Das mit den zwei Aufzügen steht ja schon in der Hochhausrichtlinie von 1981 und ich kenne zahlreiche Hochhäuser aus den 1980er- und 1990er-Jahren, die insgesamt nur einen Aufzug haben (allesamt im Höhenbereich bis 11 Geschosse, also unter 30 m). Daß ein Hochhaus mit Maisonettewohnungen mit Aufzugserschließung nur auf einem Geschoß genehmigungsfähig ist, scheint mir außer Zweifel. Der gesunde Menschenverstand sagt einem ja, daß ein Bewohner einer solchen Wohnung wohl kaum die Wohnung verlassen und über den öffentlichen Flur zum Aufzug gehen, damit ein Geschoß weit fahren und dann wieder über den öffentlichen Flur in das andere Geschoß seiner Wohnung gehen würde anstatt die interne Treppe zu benutzen. Und da Baurechtsfragen immer Ermessensentscheidungen sind, kann man hier ruhig den gesunden Menschenverstand anwenden. Die Wohnung ist dann natürlich nicht vollständig barrierefrei.

Anders sieht es mit dem Rettungsweg aus: Es gibt in Deutschland zwar Beispiele aus den 1950er- bis 1970er-Jahren von Maisonettewohnungen in Hochhäusern, die nur auf einem Geschoß Zugang zu einem Flucht- und Rettungsweg haben (z.B. das Corbusier-Haus und eines der Punkthäuser im Hansaviertel in Berlin, beide aus den 1950er-Jahren, sowie zwei Hochhäuser in Stuttgart aus den 1960er-Jahren), obwohl schon die erste Hochhausrichtlinie von 1955 vorschrieb, daß beide Treppenhäuser bzw. das Sicherheitstreppenhaus auf allen Geschossen zugänglich sein müssen. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, daß so etwas heute noch mit vertretbarem Aufwand genehmigt würde. Allenfalls wenn die interne Treppe als eine Art Sicherheitstreppenhaus ausgebildet ist, könnte man hier vielleicht eine Ausnahme bekommen.

Wenn eine Maisonettewohnung im obersten Geschoß eines Gebäudes liegt und das obere Geschoß der Maisonettewohnung der einzige Teil des Gebäudes ist, der über der Hochhausgrenze liegt, könnte man hier vielleicht auch eine Ausnahme erreichen, etwa in der Art, daß das Gebäude insgesamt nur ein normales Treppenhaus benötigt und lediglich das obere Geschoß der Maisonettewohnung einen zweiten baulichen Rettungsweg in Form der internen Treppe zum unteren Geschoß dieser Wohnung benötigt (wobei das obere Geschoß aber immer noch an das normale Treppenhaus angeschlossen sein müßte), oder aber das obere Geschoß der Maisonettewohnung hat zwei Rettungswege ins untere Geschoß über die interne Treppe sowie über eine zweite Treppe, die z.B. von der Dachterrasse des oberen Geschosses auf einen Balkon oder eine Terrasse des unteren Geschosses führt.

Das mit den Rettungswegen ist problematisch, weil Rauch eben üblicherweise nach oben steigt und eine Treppe als vertikale Öffnung im Gebäude dadurch leicht unbenutzbar werden kann. Außerdem kann man schon bei einer Wohnung auf nur einer Ebene sehr leicht die Orientierung verlieren wenn sie verqualmt, und wenn man dann auch noch eine Treppe finden und besteigen muß, verschlechtern sich die Rettungschancen beträchtlich.

In den 1970er-Jahren kam nach einigen Hochhausbränden zeitweise auch die Forderung auf, daß jede Wohnung zwei wirklich unabhängige Fluchtwege haben muß, etwa über einen umlaufenden Balkon um das ganze Gebäude, der einen zweiten Zugang zum Sicherheitstreppenhaus ermöglicht, oder einen in Rauchabschnitte unterteilten Ringflur auf jedem Geschoß, der zumindest ab der Wohnungstür zwei Fluchtrichtungen ermöglicht. Diese Forderungen wurden jedoch nicht in Gesetze umgesetzt, auch wenn einige Hochhäuser gebaut wurden, die diesen Ideen entsprechen.

Grundsätzlich sind Baugenehmigungen immer Ermessensentscheidungen, wie schon gesagt. Erfüllt das Gebäude alle Anforderung, hat man einen Anspruch auf die Genehmigung. Erfüllt das Gebäude die Anforderungen der Gesetze nicht, hat man keinen Anspruch auf die Baugenehmigung, sie wird aber auch nicht zwingend versagt. Es liegt im Ermessen der Behörde, ob sie es für vertretbar hält, eine Ausnahme zuzulassen.

Beabsicht man sowas, so empfiehlt es sich, mit einem Ingenieur für Brandschutz oder einem Architekten zusammenzuarbeiten, der auf diesem Gebiet Erfahrung hat und frühzeitig im Planungsprozeß Kontakt zur zuständigen Bauaufsicht aufzunehmen, um herauszufinden, was möglich ist.

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