Hat in Deutschland nur bierernste und betont kommerzielle Architektur eine Chance? Wo sind die PERIPHERIQUES, FATs, Lacaton-Vassals oder MVRDVs Deutschlands? Warum gibt es in hier kaum spannende Büros, die es auch mal wagen, zu experimentieren und trotzdem überleben? Ja, ich weiß, aus bunten Statistiken und lustigen Fotos ein Konzept zu entwickeln (a la MVRDV) ist ja nicht jedermanns Sache, aber es ist immerhin ein Ansatz, ein KonzeptfindungsVERSUCH. Lacaton-Vassal gehen einen anderen Weg, sie experimentieren eher auf dem Feld der Materialien, Vorfertigung etc. Und von solchen Büros, die mal etwas probieren, gibt es einige...im Ausland.
Schaut man sich die hiesige Architekturlandschaft an: fast nur Bauherren-freundliche, nette, angepaste Architektur. Hier etwas Stahl- und Glas (soll ja High-Tech vorgaukeln), dort etwas Show und da etwas Granitfassade a la Kolhoff (Wir sind ja im soliden Deutschland). irgendwie wird man das Gefühl nicht los, daß hier etwas einfach nur design wird, um es möglichst gut zu verkaufen. Klar, jeder muß schauen, wie er zu seinem Geld=Aufträgen kommt und da bedient man sich des marktwirtschaftlichen Zusammenhangs von Angebot und Nachfrage. In anderen Ländern ist es auch nicht anders, auch da wird in erster Linie Architektur produziert. Es gibt aber immerhin auch noch erfreulicherweise Minderheiten, die zum Experiment bereit sind...und trotzdem nicht untergehen.
Bis auf Hild & K mit seinen teils ironischen Ansätzen (Rustikal anmutendes Wartehäuschen aus Cortenstahl, Mahagoniimitatverkleidung für Fassaden des sozialen Wohnungsbaus...) fällt mir da niemand ein.
Woran liegt es?
Daß es an der andauernden Baukrise liegt, glaube ich nicht. Das war schon früher so, ist jetzt wahrscheinlich nur verschärft.
Verstehen sich die Architekten wirklich noch als Baumeister und Handwerker im alten Sinn: Es zählt das Solide, das Bewährte:"Das haben wir schon immer so gemacht". Alles andere ist Kunst, nebensächlich und nicht ernst zu nehmen. Dieses Baumeister-Denken, auf das so viele so stolz sind, zwingt die Absolventen jahrelang in Architekturbüros als bessere Bauzeichner auszuharren. Sie müssen ja noch so viel lernen. Wenn sie ergraut, (aber ganzheitlich ausgebildet!) den Weg zu eigenen Projekten finden, ist der Kreativitäts-Zug oft schon abgefahren.
Sind wir tatsächlich so eine technik-orientierte Gesellschaft (im Baunetz-Forum geht es fast nur um Fragen wie: Abdichtung X oder Y) und können mit dem ganzen "Entwurfsgetue" nichts anfangen? Irgendjemand sagte mal, daß die deutschen Architekturzeitschriften eher wie Juristenblätter anmuten -es muß alles schön trocken, sachlich und bewährt sein.
Nehmen wir uns selbst zu ernst und haben wirklich keinen Humor: Schaut mal auf die Seite von NL-Architects (haben gerade den NAI-Preis für junge Büros gewonnen mit einer Basket-Bar in Utrecht):
http://www.nlarchitects.nl/ oder FAT-London:
http://www.fat.co.uk/
Wollen wir nur verkaufen und machen nur das, was Geld einbringt und auch nur solche Architektur.
Ist in Deutscland das breite Verständnis für Architektur nicht so ausgeprägt, wie z.B. in den Niederlanden oder einfach nicht vorhanden= die Bauherren nicht an mutigen Lösungen interessiert, die Städte nicht an neuen Vorschlägen, Studien?
Liegt es daran, daß man hier bekanntermassen als Architekt erst etwas zählt, wenn man total ergraut ist (Erfahrung und Vertrauen ausstrahlt(-
und früher ja sowieso kaum zu eigenen Projekten kommt. Daß man dann weniger Elan hat, etwas Neues zu probieren, liegt ja auf der Hand. Unterstützung von jungen Büros (Quoten bei Wettbewerben, Parzellen innerhalb eines Großprojekts nur für junge Büros) gibt es ohnehin nicht und auch kein Bestreben etwas zu ändern. Die Damen und Herren in den Kammern haben scheinbar nichts gegen die ständigen Bewerbungsverfahren bei den Wettbewerben, so daß junge Leute automatisch ausgeschlossen bleiben.
Ja, ich weiß nicht. Tatsache ist, daß es auch hier Büros gibt, die den Experiment-Weg einschlagen (oft weil ihnen mangels Aufträge nichts anderes übrig bleibt, wie die vielen kleinen Gruppen in Berlin).Tatsache ist aber auch, daß sie hier gegenüber den altehrwürdigen Büros kaum eine Chance haben, auch wenn die arch+ schon so etwas wie eine Trendwende einläutet: "Vor allem in der Auseinandersetzung mit der Popkultur, ihrer Ästhetik, ihren Widersprüchen und Erfolgsrezepten werden sich die Architekten aus dem Bann des Baumeistertums erfolgreich lösen und ihren Beitrag zur modernen Kultur neu definieren können.(...) Der Architektenschaft, die nun schon seit geraumer zeit in schrumpfenden Städten und deökonomisierten Zonen die schmerzhafte Erfahrung des latenten Überflüssigseins macht, dämmert es langsam: Nach dem Pop ist Pop: wenn man durch die Scheiße(vulgo:Ökonomie) watet und aufs Gold am Ende gar keinen Wert mehr legt."
Eure Meinung zu dem Thema würde mich sehr interessieren!