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12. Mai 2005 Druckversion | Versenden | Leserbrief
GEHALTSREPORT
Was Architekten und Bauingenieure verdienen
Die Baubranche schwächelt seit Jahren, mit bösen Folgen für Berufseinsteiger: Sie werden mit Einjahresverträgen abgespeist oder verdingen sich gar als Langzeit-Praktikanten für 500 Euro, um Praxiserfahrung zu sammeln. Der neue Gehaltsreport bei SPIEGEL ONLINE durchleuchtet die Einkommen von Architekten und Bauingenieuren.
Baustelle: Die Branche gibt Architekten und Ingenieuren wenig Hoffnung
Zunächst wurde dem dreifachen Familienvater gekündigt - angeblich wegen schlechter Auftragslage. Wenig später holte der Baukonzern den 39-jährigen Bauingenieur zurück, stellte ihn mit einem befristeten Einjahresvertrag wieder ein und gab ihm ein Projekt, das 400 Kilometer von seinem Wohnort entfernt lag.
Es ist die chronische Schwäche der Baubranche, die solche schlimmen Blüten treibt. Der Arbeitsmarkt bietet sowohl für Bauingenieure als auch für Stadtplaner immer weniger Lohn und Brot. Markus Westermann* hat zumindest den Einstieg geschafft: Nach erfolgreich abgeschlossenem Architekturstudium in Berlin hat der 28-Jährige seit einem Jahr einen festen Job in einem Architekturbüro mit rund 40 Mitarbeitern. Er betreut gleich vier Projekte - ein Großprojekt in Norddeutschland sowie drei kleinere Projekte.
Kaufmännisches Denken gefragt
Er ist froh, diesen Job ergattert zu haben. Vorher, so Westermann, habe er in einem sehr renommierten und international tätigen Büro ausschließlich Entwürfe für Wettbewerbe kreiert, "ein echter Traumjob für Architekten". Das Glück jedoch währte nicht lang: Westermann wurde entlassen und landete "durch Kontakte" bei seinem jetzigen Arbeitgeber.
Gehaltsanalyse: Verdienen Sie genug?
Auf der Grundlage von rund 280.000 Datensätzen generieren die Vergütungsberater von PersonalMarkt Gehaltszahlen zu allen Branchen, Berufen und Positionen. "Durch die riesige Anzahl erreichen wir eine völlig neue Transparenz beim heiklen Thema Gehalt", sagt Geschäftsführer Tim Böger. Die Daten sind nicht älter als ein Jahr und bleiben stets aktuell. Drüber, drunter oder genau richtig? Verdienen Sie genug? Wie können Sie Ihr Gehalt steigern? Die individuelle Gehaltsanalyse von SPIEGEL ONLINE und personalmarkt.de verrät es Ihnen.
"Morgens gehe ich auf die Baustellen, den Rest des Tages verbringe ich im Büro oder bei Besprechungen", erzählt Westermann. Er beschäftigt sich jetzt mit Machbarkeitsstudien und Projektsteuerung. Wer vom Entwurf abrückt und sich vor allem im technischen Bereich spezialisiert, hat bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Der Job als "Allrounder" gefällt dem jungen Architekten: "Das Reizvolle ist, dass man für alle Leistungsphasen vom Grundlagenentwurf bis hin zur Objektüberwachung verantwortlich ist." Auch das tradierte Berufsbild des Bauingenieurs wandelt sich: Gesucht wird heute vor allem der Generalist, der auch kaufmännisch denkt.
"Die Gehälter geraten aber noch weiter unter Druck", prognostiziert Tim Böger, Chef der Hamburger Vergütungsberatung PersonalMarkt. Allerdings mit regional unterschiedlichem Ergebnis: Gut sei die Situation in Bayern und Baden-Württemberg, schlecht dagegen in den östlichen Bundesländern.
Architekten: Gehalt nach Erfahrung ...
Dass es regionale Unterschiede gibt, belegen auch die aktuellen Gehaltsdaten von PersonalMarkt: Ein Architekt in Ostdeutschland verdient demnach ein Jahresgehalt von 32.500 Euro brutto, ein Architekt in Westdeutschland 36.000 Euro.
Gravierender machen sich diese regionalen Unterschiede beim Bauingenieur bemerkbar: In den östlichen Bundesländern erhält ein Bauingenieur 34.200 Euro, in den westlichen Bundesländern allerdings 41.600 Euro. Zum Vergleich: In der Hansestadt Hamburg verdienen Architekten im statistischen Mittel 38.150 Euro, Bauingenieure kommen auf 42.000 Euro.
... und nach Firmengröße
Die meisten Jobs bieten derzeit kleine und mittlere Unternehmen - vor allem die Architektur- und Ingenieurbüros. Die jedoch, so die Erfahrung der Hamburger Gehaltsberater, zahlen selten üppige Gehälter. Architekten in kleineren Büros mit ein bis 20 Mitarbeitern kommen auf ein Jahressalär in Höhe von 32.400 Euro, Bauingenieure in einem Büro vergleichbarer Größe auf 37.050 Euro.
Dieser Unterschied bleibt auch in größeren Firmen bestehen: In Architekturbüros mit 500 bis 1000 Mitarbeitern beispielsweise kommt ein Architekt auf ein Jahressalär in Höhe von 46.722 Euro, ein Bauingenieur auf 48.750 Euro.
Berufserfahrung zahlt sich aus
Bauingenieure: Gehalt nach Berufsjahren ...
Auch die Berufserfahrung spielt eine Rolle beim Gehalt: Junge Architekten mit bis zu zwei Jahren Berufserfahrung kommen in der Baubranche auf ein Jahressalär in Höhe von 29.250 Euro, in Architektur- oder Planungsbüros auf 26.623 Euro. Mit zunehmender Berufserfahrung steigt auch das Gehalt. 31.200 Euro sind es bei einer Berufserfahrung von zwei bis fünf Jahren im Baugewerbe, 30.600 in den Architekturbüros.
Ähnlich sieht es bei den Bauingenieuren aus: Anfänger mit bis zu zwei Jahren Berufserfahrung bekommen in der gewerblichen Wirtschaft auf ein jährliches Brutto von 32.500 Euro, in Ingenieurbüros 32.400 Euro. Mit zwei bis fünf Jahren Berufserfahrung auf dem Buckel verdienen sie in der gewerblichen Wirtschaft 37.700 Euro, in Ingenieurbüros 36.000 Euro.
... und Firmengröße
Bei zehn und mehr Jahren Berufserfahrung liegt das Gehalt für Architekten bei 43.077 Euro (bei Bauunternehmen) und 41.700 Euro (in Architekturbüros). Bauingenieuren mit zehn und mehr Jahren Berufserfahrung wird im statistischen Mittel 45.538 Euro (bei Bauunternehmen) und 45.500 Euro (in Ingenieurbüros) gezahlt.
Laut Hauptverband der Bauwirtschaft hat die deutsche Baubranche die konjunkturelle Talsohle aber noch gar nicht erreicht. Tim Böger bestätigt: "Es wird noch eine Weile dauern, bis es eine so geringe Anzahl an Absolventen in den Fächern Architektur und Bauingenieurwesen gibt, dass die Unternehmen ihre Stellen nicht mehr besetzen können." Dann erst, so der Gehalt***perte, sei Besserung in Sicht.
Ausland als Option für Arbeitsnomaden
Der Umstieg auf stärker interdisziplinäre Jobs, beispielsweise im Bereich Facility Management, kann ein Ausweg aus dem Jobdilemma sein. Der Deutsche Verband für Facility Management e.V. definiert die Aufgaben so: "Betrachtung, Analyse und Optimierung aller kostenrelevanten Vorgänge rund um ein Gebäude, ein anderes bauliches Objekt oder eine im Unternehmen erbrachte (Dienst-) Leistung, die nicht zum Kerngeschäft gehört".
Dahinter verbirgt sich eine ganze Reihe neuer Jobs, die auch von Architekten und Bauingenieuren ausgefüllt werden können. Ein Facility-Manager beispielsweise verdient, je nach Unternehmensgröße, zwischen 33.800 Euro und 44.773 Euro jährlich.
Gut fährt grundsätzlich auch, wer andere Talente einbringen kann - etwa spezielle CAD-Zeichenprogramme, die in der Branche gebraucht werden. Für Architekt Westermann wäre auch das Ausland durchaus eine Alternative. Er kennt einige "Arbeitsnomaden", die sehr erfolgreich in Australien, Spanien oder in der Schweiz arbeiten.
Diese Option haben alle Architekten und Bauingenieure. Fachliche Sprachbarrieren zumindest sind weniger hinderlich als in vielen anderen Branchen. Denn Architekten und Bauingenieure haben eine gemeinsame internationale Sprache: die der Zeichnung.
Von Heike Friedrichsen, Personalmarkt.de
(* Name geändert)
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