Social Bookmarks: Berlin wird demnächst zur Hauptstadt der Pavillons und temporären Bauten. Schuld daran ist nicht nur, wie man glauben sollte, die Fußballweltmeisterschaft, sondern ein allerorts zu beobachtender Trend, durch Kleinbauwerke die städtebaulich geplante Spannung zwischen Platz oder Grünfläche und klaren Gebäudekanten zu verwischen und zu verstellen. Hätten die Architekten, Stadtplaner und Bauherren, die die von Anfang an als Publi kumsmagnet gedachten öffentlichen Bauwerke planen, nicht an die Bedürfnislage des herbei gewünschten Publikums denken müssen und die dafür notwendigen Nutzräume in ihren oft jahrelangen Entwurfsprozessen berücksichtigen sollen? Stattdessen wird diesen Erfordernissen mit nachträglich daneben gestellten Interimslösungen Genüge getan. Bestes und ärgerlichstes Beispiel ist die bereits viel kritisierte zweigeschossige Randbe bauung mit Holzbaracken am Denkmal für die ermordeten Juden an der Behrenstraße. Auch am Reichstag soll den Besuchern der Erwerb von Informationen und Andenken sowie die Nahrungsaufnahme und –abgabe ermöglicht werden. Zur Befriedigung dieser Notwendigkeiten wird ein kleiner (Naturstein-) Pavillon errichtet, wobei wieder ein Stück vom Tiergarten für eine Baumassnahme in Anspruch genommen wird. Die Arena für die WM-Übertragung wird wieder verschwinden, die schlecht nachgeahmte Reichstagskuppel auf dem nicht realisierten Forum der Demokratie hoffentlich auch. Eine diesbezügliche Anfrage vom BDA Berlin an den Bundestagspräsidenten ist aller dings bislang nicht beantwortet worden. Die „Rote Box“ am Potsdamer Platz war seinerzeit eine Bereicherung für den Ort. Ihren Rückbau hat man tatsächlich bedauert. Dem Vernehmen nach ist nun für das Hum boldtforum ein Architektenwettbewerb für einen Informationspavillon geplant. Wird er die Architektursprache der Schlossreplik vorweg nehmen oder wird er, wie seinerzeit die „Rote Box“, falsche Versprechungen von einer zukunftsorientierten Architektur in die Welt setzen? Warum wird ein temporär nutzbarer Palast abgerissen um einen temporären Neubau zu errichten? Der BDA fordert die Politiker von Bund, im Senat und in den Bezirken auf, ihre Verantwortung für den öffentlichen Raum wahr zu nehmen und weder öffentliche Gelder noch privates Kapital auf Bauten zu lenken, die einer langfristigen Betrachtung nicht standhalten. „Eventcity“ sollte sich intelligenter Medien bedienen, anstatt überall Miniaturbauten zu errichten. Die praktischen Bedürfnisse hingegen sollten in ordentlich geplanten, nutzba ren Gebäuden nachhaltig untergebracht werden. Der Vorstand des BDA Berlin [BDA Berlin Presseerklärung vom 6.7.2006]
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mika: Offline
Ort: Berlin Beitrag Datum: 07.07.2006 Uhrzeit: 09:50 ID: 16818 | Social Bookmarks: ? Temopräre Bauten sind schlecht. (Temporäre) Gebäude aus Holz sind Baracken. (Temporäre) Gebäude aus (Natur-)Stein sind Pavillions. Bauen für die Ewigkeit ist gut. Sind kleinteilige Wachstumsprozesse schlecht ? Könnten derartige Prozesse nicht vielleicht den Prozess der Stadt wieder für "kleinere" Bauherren öffnen ? Sind es nicht vielleicht gerade die großen Investoren und wir Architekten, die nicht mehr in der Lage sind eben die genannten Bedürfnisse der Benutzer der Stadt zu berücksichtigen ? Ist es nicht vielleicht so, dass je mehr wir das Endgültige, das Unantastbare fordern, desto mehr laufen wir Gefahr es verkehrt zu machen und die Stadt zu lähmen? Grüße Michael |
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noone: Offline
Beitrag Datum: 07.07.2006 Uhrzeit: 10:43 ID: 16820 | Social Bookmarks: Temporäre Bauten sind für uns Architekten sehr gefährlich - sie nehmen uns nämlich die Existenz. je kleiner die Bauten werden, desto eher werden Architektenleistungen von anderen übernommen. Temporäre Bauten sind sehr schlecht: bestes Beispiel sind die Container, die immer mehr Bereiche erobern. Inzwischen werden sie für Läden, Büros, Kindergärten und Schulklassen mißbraucht. |
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mika: Offline
Ort: Berlin Beitrag Datum: 07.07.2006 Uhrzeit: 12:26 ID: 16826 | Social Bookmarks: Zitat:
Dass Architekturleistungen von anderen übernommen werden, könnte auch daran liegen, dass wir uns zunehmend als Umsetzer von (Mindest-)Standards und reine Fassadengestalter verstehen. Und besonders ersteres können andere ohne Gestaltungsanspruch besser. Dass Container für o.g. Zwecke missbraucht werden, liegt nicht an der Temporärität (außerdem sind Stahl Container garnicht besonders temporär), sondern vielmehr an dem reinen Streben nach Effizienz ohne Anspruch an Gestaltung seitens der Bauherren. Letztlich ist jedes Gebäude temporär. Viel entscheidender ist ob es die Fähigkeit besitzt auf Zeit zu reagieren. Und der ganze 0815-(Mindest-)Standard- und Normungsbau, ist es letztlich nicht in der Lage ist zu reagieren, weil er für einen ganz bestimmten Zweck optimiert ist. Ändert sich dieser Zweck, funktioniert es nicht mehr, und es muss beseitigt werden. Da Reversibiltät meistens zu teuer ist, bleibt nur Abriss oder teurer Umbau. Davor haben viele Investoren wieder Angst und setzen uns Architekten die finanziellen Daumenschrauben an. Und wir ? Wie reagieren wir ? Wir gehorchen und machen es noch billiger und uns damit immer ersetzbarer. Grüße Michael | |
Social Bookmarks: Zitat:
Ich finde die Frage des Stadtbildes ist hier entscheidend. Vermutlich braucht man dafür keine Baugenehmigung - bzw. bekommt sie ehr, als bei bei einem dauerhaften Bau. So sehr viele Leute Hans Stimmann in Berlin gehasst haben, müssen wir Berlin uns auch klar machen, dass er für eine architektonische Ordnung in unserer Hauptstadt geschaffen hat. In vielen Anderen Städten herrscht vergleichbar eine Anarchie. Vor Allem hat Berlin eine Chance bekommen, die die meisten West-Deutschen Städte nicht hatten. Im Westen wurde in den 50er - 70er Jahren alles wieder aufgebaut (größtenteils auch in West-Berlin) und man muss heute mit den Bausünden von damals Leben. Da im Osten so gut wie nicht gemacht wurde, bzw. man die Bauvorhaben an die Peripherie geschoben hat, gab es jetzt die Chance mit einer gewissen Besonnenheit alles zu bauen. Pavillonbauten schaffen aber auf Dauer leider kein Stadtbild, können es aber negativ Prägen.
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Social Bookmarks: Ich glaube, die Kritik richtet sich hier insbesondere gegen die offensichtlichen Milchmädchenrechnungen. Für temporäre Veranstaltungen, temporäre Objekte zu schaffen, halte ich für völlig nachvollziehbar. Das Problem entsteht dann, wenn für Dauernutzungen zur temporären Nutzung gedachte Objekte eingesetzt werden, die dafür einfach nicht gemacht sind. Sie werden genemigt mit dem Argument, dass sie ja nur temporär sind. Ihre ganze Existenz, ihr Umfang und die Ausführungen gründen auf diesem Grundsatz, d.h. defacto, dass alles unüberlegter, billiger und rücksichtsloser gebaut werden kann als bei einem von langer Hand geplantem Projekt. Und letztlich wird in diese Dinge dann ja auch viel Geld investiert, das an anderen Stellen fehlt. Man behilft sich mit einer Art wegwerf-Architektur, von der dann am Ende auch kein bleibender Wert erwartet werden kann. | |
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noone: Offline
Beitrag Datum: 07.07.2006 Uhrzeit: 14:24 ID: 16834 | Social Bookmarks: @ Samsarah genau dies ist richtig. Bauten, die für eine Veranstaltung gemacht werden, z.B. Messen oder etc, sind ja auch vom Architektonischen sehr hochwertig, und die fallen jetzt absolut nicht unter die von mir angesprochene Kategorie. Was ich meine, sind Bauten, die aus Kostengründen eben durch Container oder vergleichbares ersetzt werden, und über lange Zeit hinweg genutzt werden. UND: "große Bauten" verlieren nur dann ihre Langlebigkeit, wenn kein weitsichtiges Konzept dahinter steht. Baut man für den Augenblick ohne eine Analyse der Rahmenbedingungen sowie der Nutzung mit ihren Entwicklungen und Trends, dann kann der Bau nicht bestehen, und unterliegt den Zwängen, irgendwann umgebaut oder umgenutzt zu werden. Ich denke weiterhin, dass die Suppression von normalen Bauten mit einem architektonischen Standard durch irgendwelche Billigware menschenverachtend ist. Es will heute niemand mehr Trabi fahren, aber man ist Bereit, Menschen in einem unwürdigen Trabibau leben, arbeiten oder ausbilden lassen. Billigbauten haben weder ein angenehmes Raumklima, noch eine angemessene soziale Komponente. Die Gesellschaft, die dies zulässt und gleichzeitig an Gewinnoptimierung denkt, ist krank und zum Scheitern verurteilt (s. Modulares Bauen - Plattenbauten, Trabantenstädte). |
Social Bookmarks: Wobei wir hier wohl von kleinen Gebäuden oder Pavillions im öffentlichen Raum reden und nicht von Wohnbauten. Das ist ein ganz anderes Thema und viel zu grundlegend, um es hier in dieselbe Schublade zu werfen. | |
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Jochen Vollmer: Offline
Ort: Kassel Beitrag Datum: 09.07.2006 Uhrzeit: 15:04 ID: 16888 | Social Bookmarks: Dieser Thread zeugt vom rückständigen Verständis von Planung auf allen Ebenen - bedauerlicher Weise insbesondere in den entsprechenden "Etagen" des BDA. Städtische Prozesse als ein (durch Architekten) diktiertes nacheinander von Planung und Umsetzung zu verstehen ist leichtsinnig. Man sollte gar davon abkommen, städtische Prozesse als planbar einzustufen. Komplexitäten wie die des städtischen Lebens sind nicht im Ganzen lenkbar. Vielmehr ist jede sich bietende Chance Prozesse zu beeinflussen wahr- zunehmen. Gerade Temporäres speilt dabei die entscheidende Rolle. Scheinbar wird übersehen, das häufig erst durch Temporäre Bauten das ach-so-historische Umfeld in seinem Wert erkennbar und damit nutzbar wird. Zitat:
Zitat:
von sich aus nicht weitsichtig denkt. Wenn uns Architekten sowas nervt - was ja ein gutes Zeichen ist - sollten wir daran arbeiten den Investor durch Argumentation 'sehend' zu machen. In diesem Sinne ist der BDA aufzufordern, sich von der üblichen "Architekten- Arroganz" frei zu machen, und an sich selbst zu arbeiten. [Forumsbeitrag vom 9.7.2006]
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Jochen Vollmer: Offline
Ort: Kassel Beitrag Datum: 09.07.2006 Uhrzeit: 15:13 ID: 16889 | Social Bookmarks: Vielleicht muss man noch wesentlich weitergehen und eine allgemeine Selbstverständlichkeit zur Diskussion stellen: Den Zusammenhang von Funktion und Gestalt. Erst daraus entsteht der "allerorts zu beobachtende Trend". Funktionen änderen sich heute in rasendem Tempo. Gerade die "intelligenten Medien" sorgen dafür. Eine sich aus der Funktion herleitende Architekturgestalt ist nicht im Stande auf diesen veränderten Kontext zu reagieren. An diesem Punkt ist anzusetzen: Gestalt ist von Funktion zu trennen.
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Social Bookmarks: Zitat:
Zitat:
Dann wird der Architekt & die Architektur zum Sklaven der Technik?
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Tom: Offline
Ort: Rhein-Ruhr
Hochschule/AG: Architekt Beitrag Datum: 09.07.2006 Uhrzeit: 16:32 ID: 16891 | Social Bookmarks: @ Florian - Ich denke, mit Funktion ist der Inhalt, die Nutzung gemeint. Ich finde, es geht aber am Thema vorbei, lieblos irgendwo abgestellte Hundehütten, die den Stadtraum paralysieren, mit einer revolutionären Theorie zu rechtfertigen. Es geht hier ja nicht um gelungene Experimental-Architektur, die von Betonköpfen verhindert werden soll, sondern darum, dass die Baukultur untergraben wird, wenn 08/15-Containerbauten hoffähig werden. |
Social Bookmarks: Zitat:
Welche Pavillonbauten in Berlin sind eigentlich gemeint? Die Info-Box am Potsdamer Platz war auch ein solcher - und war irgendwie architektonisch Wertvoll. Die Toilettenhäuschen und Zeitungskioske sind hier wohl auch nicht gemeint. Um eine sinnvolle Diskussion zu Stande zu bringen, müssten hier die entsprechenden Beispiele denke ich vorgebracht werden. (Es wird nämlich häufig von Containerboxen in dieser Diskussion gesprochen...)
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noone: Offline
Beitrag Datum: 09.07.2006 Uhrzeit: 17:16 ID: 16893 | Social Bookmarks: Kioske, Toilettenhäuschen sind KEINE temporäre Architektur, sondern sekundäre Bauten mit "untergeordneter" Nutzung. Temporäre Bauten, d.h. Bauten mit kurzer Lebensdauer oder kurzer Nutzungsdauer, werden neuerdings zweckentfremdet und für andere, herkömmliche Nutzungen missbraucht. Inzwischen werden Verkaufskontainer, Bürocontainer und ähnliches aufgestellt. Das Wort Container geht Hand in Hand mit diesem Trend, da diese temporären zweckentfremdete Bauten immer häufiger Blechcontainer sind. Es wird eben damit begründet, dass sie kostengünstiger sind als herkömmliche Bauten. Die Stadtbauämter haben diesen gefährlichen trend noch nicht in den bebauungsplänen reguliert, jedoch geht ein enormes Gefahrenpotential davon aus, da sie jegliches Stadt- oder Dorfbild zerstören und den städtebaulichen Suizid darstellen. Ist jetzt etwas überspitzt ausgedrückt, jedoch sehe ich in einem Blechcontainer städtebaulich mindestens das selbe zerstörungspotzential wie in einem Bau mit Flachdach zwischen zwei Bauten mit Satteldächern, was ja durch die Bebauungsplänen so energisch unterbunden wird. |
Social Bookmarks: Zitat:
Ich glaube die Diskussion hier wird Ihr Ziel verfehlen, wenn wir nicht einige Beispiel kennenlernen. In der Pressemitteilung wird nur ein bereits existierendes "Gebäude" erwähnt und ein geplantes genannt. Sind es nur die zwei die bereits diese enorme Kritik erzeugen? (Hat jemand Fotos, die er hier veröffentlichen kann?) Ich bin überzeugt, dass es hier nicht um die Container geht, sonst hätte man sicherlich nicht den Begriff Pavillon gewählt, der an sich als Bautypus nicht negativ ist.
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