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kai-S: Offline
Beitrag Datum: 18.12.2007 Uhrzeit: 22:22 ID: 26319 | Social Bookmarks: Hallo Kollegen, ich habe mal ein Interview gelesen, in dem ein namenhafter Architekt (hab allerdings vegessen wer's war) gesagt hat, dass Architektur außerstande sei soziale Probleme zu lösen. Wie steht ihr zu dieser Aussage? Kennt ihr Projekte, die sich solzialer Probleme annehmen? Waren Sie erfolgreich oder haben sie gar alles noch schlimmer gemacht? Ich glaube, dass Architektur sehr wohl soziale Probleme lösen kann. Ein Projekt fällt mir zwar gerade nicht ein, aber ich gehe jetzt erstmal Bücher wälzen und schaue ob ich was finde. Bis dann Kai www.trash-o-meter.blogspot.com |
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mika: Offline
Ort: Berlin Beitrag Datum: 18.12.2007 Uhrzeit: 23:18 ID: 26320 | Social Bookmarks: Ich behaupte mal, dass Architektur tatsächlich keine sozialen Probleme lösen kann. Architektur kann etwas Ausdruck verleihen, fördern, provozieren, vielleicht auch zum Nachdenken anregen, aber sie kann nicht die Aufgaben oder das Agieren von Menschen übernehmen. Architektur ist der Ausdruck von Verhältnissen durch und in Raum und Zeit. Im Grunde ist es wie bei einer Definition. Architektur mag eine notwendige Bedingung für die Lösung sozialer Probleme sein, sie ist aber nicht gleichzeitig eine hinreichende Bedingung. Sie kann genauso gut eine hinreichende sein, aber nicht gleichzeitig eine notwendige.
__________________ Grüße Michael "Warum soll etwas nicht so gut wie möglich sein ?" Ludwig Mies van der Rohe, 1964 |
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andreastischler: Offline
Ort: köln
Hochschule/AG: tutor Beitrag Datum: 19.12.2007 Uhrzeit: 10:11 ID: 26325 | Social Bookmarks: Selbst wenn architektur nur notwendige bedingung für das lösen sozialer probleme ist, ist das doch schon ziemlich viel, oder irre ich mich? natürlich kann architektur nichts lösen, aber sie kann ermöglichen, dass menschen es lösen. |
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Tom: Offline
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Hochschule/AG: Architekt Beitrag Datum: 20.12.2007 Uhrzeit: 16:07 ID: 26339 | Social Bookmarks: Oscar Niemeyer hat kürzlich in seinem Jubiläums-TV-Feature doch nochmal gesagt, dass Architektur aus seiner Sicht keine sozialen Probleme lösen könne. Die gesellschaftl. Zerwürfnisse vor seiner Haustür sind natürlich schon extrem. Die kl. Moderne, inkl. der Nebenbewegungen wie dem russ. Konstruktivismus, hatte ja schon diesen unglaublich hochgesteckten Anspruch: Eine neue Architektur für einen neuen Menschen. Ein anderes Schlagwort zu der Zeit lautet "Soziale Emanzipation durch technische Innovation" - gemeint war die Verbindung neuer sozialer Wohnformen und Standards für die breite Masse mit rationellen (seriellen) Baumethoden. Diese rationalistischen Ansätze in ihrer Pervertierung haben ja schon soziale Probleme wenn nicht geschaffen, dann bis auf die Spitze verschärft (anonyme Nachkriegs-Trabantenstädte). Also zumindest kann Architektur offenbar Probleme schaffen bzw. verstärken. Mein Umkehrschluss lautet: Architektur kann eine leicht positiv modulierende Wirkung haben. |
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Maller: Offline
Beitrag Datum: 20.12.2007 Uhrzeit: 16:23 ID: 26340 | Social Bookmarks: Wer spricht denn hier von lösen? Architektur ist bekanntlich die einzige Kunst die die Gesellschaft nur verschlechtern kann. Sie kann nur räumliche Bereiche abtrennen und Leute voneinander trennen aber nicht verbinden. Leute die sich miteinander austauschen müssen immer mit großem Aufwand der gebauten Architektur entgegenwirken. Das ganze Misstrauen auf der Welt begann erst als jemand das Bedürfniss hatte sich eine Hütte zu bauen und sich damit von den anderen abzugrenzen. Schlussfolgerung: Je mehr Architektur, um so mehr soziale Probleme. Bleibt eher die Frage wieviel soziale Probleme wir haben wollen... Ich glaube da hätte manch einer was dagegen von heut auf morgen alle sozialen Probleme zu lösen... PS: Wo bleibt eigentlich der "Was ist Mörtel?" Thread?
__________________ Hier gehts doch nicht um irgendwelche zweitrangigen Nebensächlichkeiten. Hier gehts nur um Architektur... |
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Tom: Offline
Ort: Rhein-Ruhr
Hochschule/AG: Architekt Beitrag Datum: 20.12.2007 Uhrzeit: 16:45 ID: 26341 | Social Bookmarks: |
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FoVe: Offline
Ort: Wetzlar Beitrag Datum: 20.12.2007 Uhrzeit: 17:51 ID: 26344 | Social Bookmarks: Warum soll Architektur nicht auch an der Lösung sozialer Probleme beteiligt sein? In Marseille gibt es das "Quartier du Panier" - das älteste Stadtviertel. Dort sind die Häuser so eng beieinander stehend, dass wirklich noch die Wäscheleinen quer über die Gassen gehen. Dort wurde durch die Stadtplanung eben nicht die Struktur des Viertels verändert, sondern man hat die infrastrukturellen Gebäude so gestaltet, dass sie eine große Akzeptanz bei den Bewohnern haben. Also werden auch Jugendeinrichtungen, Bibliotheken und so weiter genutzt und es entzerren sich dadurch die Brennpunkte. Wenn eine Stadtverwaltung weiß, dass ein Zinedine Zidane eben DAS Vorbild für die Marseiller Jugend ist, dann kann ich mit strategisch gut platzierten Sportplätzen den Kids auch Aufenthaltsraum geben. Wenn ich heute die Architektur bei Verwaltungsgebäuden bewerte, dann kann ich nur feststellen, dass wesentlich mehr Focus auf den Bedürfnissen der "User" liegt. Helle, angenehme Büros, Aufenthalts- und Kommunikationsbereiche, oft auch irgendwelche Gymnastikräume oder Saunen, wie auch immer - die Architektur bietet da schon auch was an. Es macht doch schon einen Unterschied, ob man Abends aus einem schlecht beleuteten, muffigen Büro nach Hause fährt, aus dem man den ganzen Tag nicht rausgekommen ist, oder ob man zwischenzeitlich mal mit den Arbeitskollegen ein kleines Schwätzchen halten konnte. gerade dort hat doch Architektur was verbessert. |
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andreastischler: Offline
Ort: köln
Hochschule/AG: tutor Beitrag Datum: 20.12.2007 Uhrzeit: 20:33 ID: 26349 | Social Bookmarks: die "anonyme nachkriegsarchitektur" ist ja nicht aus dem nichts entstanden, es gab schon einige verständliche gründe warum damals so gebaut worden ist, (zB. rohstoffmangel und wohnungsnot). und die klassische moderne ist ja nicht der erste ansatz rationalistischer architektur, idealstadtgedanken die vielen tatsächlichen gebauten städten zugrunde liegen, gehen zurück bis in die renaissance, bzw. das späte mittelalter. ich bezweifle ernsthaft, dass die lösung aller sozialen probleme darin liegt, einfach alles einzureissen und nicht mehr zu bauen, weil architektur immer alles verschlechtert. das ist schon ein ziemlich negatives weltbild. vielleicht kann man sich darauf einigen, dass architektur alleine auf keinen fall soziale probleme lösen kann, aber eben anderen die möglichkeit bietet es zu tun? |
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Maller: Offline
Beitrag Datum: 21.12.2007 Uhrzeit: 04:16 ID: 26353 | Social Bookmarks: Zitat:
__________________ Hier gehts doch nicht um irgendwelche zweitrangigen Nebensächlichkeiten. Hier gehts nur um Architektur... | |
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Tom: Offline
Ort: Rhein-Ruhr
Hochschule/AG: Architekt Beitrag Datum: 21.12.2007 Uhrzeit: 13:18 ID: 26354 | Social Bookmarks: Zitat:
Das Thema ist ja groß & alt. Jede deutsche Großstadt hat solche Satellitenstädte, die zwischen 1955 und 1970 noch nach den funktionalistischen Städtebautheorien erbaut worden sind (Berlin Gropiusstadt, Hamburg Steilshoop, München Neuperlach, etc. ...). Rem Koolhaas beschreibt in S,M,L,XL einen Rettungsversuch für eine solche Großsiedlung bei Amsterdam (Bijlmermeer Redevelopment; das ist das Viertel, auf das auch mal ein Jumbo gefallen ist). Die geschichtliche und theoretische Analyse gefällt mir sehr gut. Es gibt noch einen Essay in dem Buch ("What ever happened to Urbanism"), in dem er feststellt, die Strategien der Moderne, "Abstraktion und Repetition" hätten auf ganzer Linie versagt. Zu Singapur und Atlanta finden sich auch gute Betrachtungen, die viel mit Deiner Fragestellung zu tun haben. | |
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Lang: Offline
Beitrag Datum: 03.01.2008 Uhrzeit: 19:55 ID: 26397 | Social Bookmarks: ich denke das architektur das nicht alleine kann.genauso wie durch sie allein soziale konflikte entstehen. die heute so verpönten plattenbauten bzw hochhaussiedlungen, waren während ihrer entstehung, also zu zeiten des wirtschaftswunders und der vollbeschäftigung durchaus sehr beliebte wohngebiete. |
ehem. Benutzer Registriert seit: 24.05.2005
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Nightfly: Offline
Ort: Stuttgart Beitrag Datum: 05.01.2008 Uhrzeit: 17:46 ID: 26432 | Social Bookmarks: Soziale Probleme lösen mittels Städtebau ist u.a. das worums in unserem Vertiefer geht: http://www.stw-lahr.de/ueberuns/aktu...e_objectID=227 Ich bin sehr gespannt, denn dort soll tatsächlich etwas passieren. Nach unseren Abgabeterminen werden sie wohl einen Wettbewerb machen und loslegen. |
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flasche: Offline
Beitrag Datum: 09.01.2008 Uhrzeit: 17:06 ID: 26492 | Social Bookmarks: nach einigem stöbern hab ich jetzt einen artikel wiedergefunden, der kürzlich zu dem thema bei baunetz erschienen ist: BauNetz Online-Dienst: Download-Redirect |
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metalbau: Offline
Beitrag Datum: 03.06.2011 Uhrzeit: 21:50 ID: 43941 | Social Bookmarks: architektur ist rationale organisation von raumverhältnissen. inwieweit architektur einfluss auf die gesellschaft üben kann ist abhängig von dem grad mit dem raumverhältnisse in die sphäre des sozialen eingreifen können. tatsächlich hat die organisation von räumen (raumordnung im übertragenem sinn) in der geschichte der menschheit eine extrem wichtige, würde ich sagen sogar entscheidende rolle gespielt (siehe z.b die römische bzw. die arabische zivilisation). ich wündere mich deswegen dass die meisten von euch behaupten, architektur könne nur eine kleine bzw. überflüssige gesellschaftliche relevanz haben. wahr ist aber, dass in der aktuellem zustand architektur sich auf die gestaltung von einzelobjekten beschränken muss. architekten und stadtplaner sind also meist nicht in der lage - trotz der anstehenden massiven urbanisierungsprozesse auf der weltebene - eine gestaltbildende einfluss auf die formale entwicklung von städten und größen bevolkerüngsballungsräumen zu üben. diese tatsache beschränkt auf dramatische weise die potentialität von architektur und stadtplanung in soziale probleme einzugreifen und beeinträchtigt in wesentlichem auch die gesellschaftliche akzeptanz unseren berufs (der architekt wird also oft als ein dekoratuer von prestigeobjekten oder - schlimmer - als einen "künstler" betrachtet) mit den gut bekannten konsequenzen (schlechte gehaltsverhältnisse, prekariat) die in diesem forum bisher ausführlich diskutiert worden sind. |
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Tom: Offline
Ort: Rhein-Ruhr
Hochschule/AG: Architekt Beitrag Datum: 03.06.2011 Uhrzeit: 23:58 ID: 43942 | Social Bookmarks: Zitat:
Städtebau (und Architektur) ist ja immer das Ergebnis individueller und lokaler Gestaltungs- und Investitionsentscheidungen, die autonom getroffen werden. Welche Wohnungen, Laden- oder Büroflächen finden wo zu welchem Preis ihren Käufer/Mieter? Welche Wohn- und Arbeitsformen werden am Markt angeboten und nachgefragt? Welche politischen und wirtschaftlichen Randbedingungen begünstigen oder hemmen ihre Entstehung und/oder Akzeptanz? Ein Architekt allein kann keine sozial progressiven Wohn- oder Arbeitsformen realisieren. Dazu gehört ein Bauherr, der das Konzept trägt und ein Markt, der das Angebot annimmt. Der Beitrag, den Architekten und Stadtplaner für sich leisten können ist, Konzepte zu erarbeiten und Bauherren/Investoren dafür zu begeistern. T. Geändert von Tom (05.06.2011 um 13:30 Uhr). Grund: Falsche Stelle zitiert. | |
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