Social Bookmarks: Also in meinem Umfeld werden die Bauherren hin und wieder verunsichert durch Nachrichten, die besagen, dass Flachdachaufbauten als Holzbalkendecken grundsätzlich in die Hose gehen. Sogar vom "selbstkompostierenden" Flachdach wird da reißerisch gesprochen. Auch mir sind Probleme mit Warmdächern in Verbindung mit Holzkonstruktionen bekannt und tatsächlich gab es auch in meiner näheren Umgebung schon richtig krasse Fälle bei denen die tragende Holzkonstruktion innerhalb weniger Jahre weggegammelt ist und das Dach komplett erneuert werden mußte. Ich tue mir allerdings mit dem Verallgemeinern und dem generellen Verunsichern von Bauherrn schwer. Wir haben bereits mehrere dieser Flachdächer ausgeführt und ich sehe mich bisher mit keinen Probleme konfrontiert, weil ich dabei stets die Regeln der Bauphysik beachtet habe. Hat die Konstruktion nämlich ausreichende Reserven beim Rücktrocknungspotential im Sommer und ist sie mit einer feuchtevariablen Dampfbremse an der Unterseite ausgestattet, weisen die Berechnungen keinerlei Probleme aus. Um die Austrocknung der Konstruktion zu fördern, setzen wir eine dunkle, möglichst diffusionsoffene Kunststoffbahn als Flachdachabdichtung mit mind. 2% Gefälle ein, die nicht verschattet oder bekiest wird, damit sie sich im Sommer erwärmt und zusätzlich Feuchte aus der Konstruktion "herausdrückt". Ich halte diese geschlossene Konstruktion für deutlich wartungsärmer als beispielsweise ein Aufbau mit einer zusätzlichen Luftschicht. Ein typischer Aufbau von unten nach oben sieht bei uns so aus: - GK-Abhangdecke an Metall-UK - Luftschicht mind. 4 cm - feuchtevariable Dampfbremse mit Sd-Werten von 0,25m (Sommer) bis 10m (Winter), mit Latten fixiert - horizontale Balkenlage z.B. 8/18 mit vollständiger Gefachfüllung aus Zellulose WLG 040 - OSB/3-Platte vollflächig 22 mm - Dampfsperre und Notabdichtung als Bitumendachbahn mit Alueinlage - Gefälledämmung EPS 035 mit mind. 2% Gefälle und Mindeststärke 80 mm - dunkle Dachabdichtungsbahn auf EVA-PVC-Basis 1,5 mm stark mü 20.000 (mechanisch befestigt oder verklebt) Wer hat mit solchen Dachaufbauten schon Erfahrungen gesammelt oder kennt eine Story dazu? | |
| |
|
Registriert seit: 22.02.2005
Beiträge: 2.336
Kieler: Offline
Ort: Kiel
Hochschule/AG: Architekt Beitrag Datum: 12.12.2013 Uhrzeit: 09:54 ID: 51606 | Social Bookmarks: Ich bin der Meinung: wenn es sich selbst kompostiert, ist es ein Planungs- und/oder Ausführungsfehler, aber Selbstkompostierung ist kein muss. Zu diesem Thema haben die Referenten des Kongresses „Holzschutz und Bauphysik“* am 10. und 11. Februar 2011 in Leipzig sieben goldene Regeln aufgestellt. Kennst Du die goldenen Regeln? Die meisten Dachabdichter, mit denen ich Kontakt hatte, kennen die nicht. Innen blaue Folie (und zwar nicht die DB), außen hellgraue Allwitra, dann ist der Schaden vorprogrammiert. Es gibt dazu ein aussagekräftiges Skript vom SV Martin Mohrmann, der sich hier um den Holzbau sehr verdient gemacht hat. Die goldenen Regeln sind auf S. 21. Deine Variante ist nach Skript die zweitsicherste, nach der Aufdachdämmung. *Hartwig M. Künzel (Fraunhofer Institut für Bauphysik) Martin Teibinger (Holzforschung Austria) Markus Zumoberhaus (Martinelli + Menti AG) Robert Borsch-Laaks (Sachverständiger für Bauphysik) Martin Mohr*mann (Sachverst.-Büüro Holz + Holzschutz) Daniel Kehl (Technische Universität Dresden) uvm. Geändert von Kieler (12.12.2013 um 10:16 Uhr). |
Registrierter Nutzer Registriert seit: 01.08.2010
Beiträge: 199
bimfood: Offline
Beitrag Datum: 12.12.2013 Uhrzeit: 11:35 ID: 51608 | Social Bookmarks: Interessantes Skript. Danke. |
Social Bookmarks: Zitat:
Sind diese "goldenen Regeln" den anerkannte Regeln der Technik, also rechtssicher oder nur eine Ansicht die einige Sachverständige vertreten? | ||
Registrierter Nutzer Registriert seit: 13.11.2004
Beiträge: 1.832
mika: Offline
Ort: Berlin Beitrag Datum: 12.12.2013 Uhrzeit: 12:18 ID: 51610 | Social Bookmarks: Ich sehe das genau wie Ihr. Holz ist leicht zu verarbeiten. Leider können daher auch leicht Fehler gemacht werden. Wir führen gerade ein Passivhaus in Holzbauweise aus. Sichtbare Lignaturdeckenelemente mit Akustikuntersicht, 320mm mit 035er Dämmstoff. Darauf OSB und der gleiche Aufbau wie beschrieben, wobei die Mindestdämmstoffstärke bei 16cm. Darauf denn wiederum ein aufgeständerter Dachterrassenbelag aus Thermoholz, also quasi eine Verschattung. Das ganze wurde zusammen mit Lignatur abgestimmt von einem Bauphysiker mit "WUFI" berechnet und freigegeben. Der Dachdecker hat natürlich Bedenken angemeldet, weil sein Dachverband angeblich grundsätzlich von Flachdächer auf Holzkonstruktionen abrät bzw. dazu rät, Bedenken anzumelden. Bei StB hätte er, nach eigenem Bekunden, keine Bedenken angemeldet. Jetzt ist es aber durch die Überprüfung und Freigabe gebaut worden, und wenn da was kommt, dann nur, wenn jemand ein Loch in Abdichtungen gemacht hat. Ich muss aber dazu sagen, dass die ganze Konstruktion bzw. der Aufbau extrem war, weil die Gebäudehöhe um 15cm reduziert werden mußte und seitens der Auftraggeber die Beauftragung nicht entsprechend erfolgt ist. Ich hoffe, dass ich beim nächsten mal, wenn ich so was planen muss, von Anfang an die richtigen Leute an meiner Seite habe, und ich meine Intuition nicht wieder erst hinterher (LP 8) von einem Bauphysiker gegen Honorar bestätigen lassen muss.
__________________ Grüße Michael "Warum soll etwas nicht so gut wie möglich sein ?" Ludwig Mies van der Rohe, 1964 |
Social Bookmarks: Leider ein ernstes Problem. Er drücken sich die Auftraggeber/Bauherrn darum Fachleute einzuschalten und zu bezahlen, aber nachher werden sie unruhig und erwarten vom Architekten Nachweise, die dieser gar nicht im Leistungsumfang hat. | |
Registrierter Nutzer Registriert seit: 13.11.2004
Beiträge: 1.832
mika: Offline
Ort: Berlin Beitrag Datum: 12.12.2013 Uhrzeit: 12:45 ID: 51613 | Social Bookmarks: In unserem Fall, war es so, dass es dem Bauherren egal war, ob er einen Holzbau bekommt oder nicht. Er hat daher auch nur wenig Interesse gehabt, für eine Bauweise mehr Honorar zahlen zu müssen als für eine andere. Wir haben die als Architekten, haben zu dem Zeitpunkt, als diese Entscheidung getroffen wurde, die Bedenken oder Probleme nicht gesehen. Ich kann den Bauherren einwenig verstehen. Dieser Mehraufwand hätte von uns in der Argumentation pro Holz berücksichtig werden müssen. Planern wie uns fehlen aus meiner Sicht fundierte Grundlagen zum Thema Holzbau. So gut wie jeder von uns kommt mit StB zurecht. Man bekommt an jede Ecke Details hinterher geworfen. Aber beim Holzbau ist dass aus meiner Sicht schwieriger. Es gibt in zwischen auch sehr unterschiedliche Konstruktionen und Produkte. Das Holzinformationszentrum in Schleswig-Holstein ist hier aus meiner Sicht, nach dem Verbot des Holzinformationsdienstes ein wichtiger Anlaufpunkt. Da hat Herr Mohrmann ja auch gewirkt. Andererseits nützt das alles nichts, wenn Dachverbände anderer Gewerke den Holzbau zum Bedenkenträger erklären.
__________________ Grüße Michael "Warum soll etwas nicht so gut wie möglich sein ?" Ludwig Mies van der Rohe, 1964 |
Registriert seit: 22.02.2005
Beiträge: 2.336
Kieler: Offline
Ort: Kiel
Hochschule/AG: Architekt Beitrag Datum: 12.12.2013 Uhrzeit: 14:16 ID: 51618 | Social Bookmarks: Zitat:
DIN 68800-2:2012-02 S. 46 die Bedingungen der Gebrauchsklasse GK 0 erfüllt, hinaus. Und die Konstruktion ist nachweisfrei, also ist der Bauphysiker in LPH8 obsolet. Auf die Frage nach der Bahn unter der Dämmung antwortete H. Mohrmann mir eben: Dampfbremse (kann ruhig sd-Wert von 1500m haben) , die aber auch die erste Abdichtung sprich Notabdichtung darstellt. Üblicherweise ist nämlich hier die Gewerkeschnittstelle. Der Holzbau – möglichst als Element – braucht hier einen 100 % dichten Abschluss. | |
Social Bookmarks: Dann passt das ja. Bei sD von 1.500 sprechen wir ja annähernd von einer Dampfsperre. Ist in meinen Aufbauten auch immer so vorgesehen und wird noch vom Holzbauer geleistet. Alle Feuchtigkeit unterhalb dieser Ebene muss nach unten verdunsten, alle Feuchtigkeit oberhalb dieser Ebene nach oben durch eine diffusionsoffene Dachabdichtung, wobei es natürlich gar keine Feuchtigkeit oberhalb geben sollte. Da die Witterungsverhältnisse gerade bei Dacharbeiten allerdings manchmal dazwischen funken und kleine Mengen Feuchtigkeit eindringen könnten, verschaffe ich mir durch diesen diffusionsoffenen Aufbau nach oben etwas mehr Sicherheit. | |
Registriert seit: 22.02.2005
Beiträge: 2.336
Kieler: Offline
Ort: Kiel
Hochschule/AG: Architekt Beitrag Datum: 13.12.2013 Uhrzeit: 12:01 ID: 51637 | Social Bookmarks: Zitat:
die Neubau- und eventuell Holzfeuchte. Wenn man es vom Ablauf schafft zunächst den Dachdecker die Aufdachdämmung und danach erst die Dämmung darunter einbauen zu lassen, hat man das Problem auch etwas entschärft. Das "Problem" mit Witterungsfeuchtigkeit oberhalb der Notabdichtung hast Du so aber auch ganz genau im Betonbau, das ist jetzt keine Holzbau spezifische Herausforderung, abgesehen mal von den Anforderungen an den Absorptionsgrad der Dachhaut. | |
Registrierter Nutzer Registriert seit: 20.01.2013
Beiträge: 78
lalahmpf: Offline
Beitrag Datum: 14.12.2013 Uhrzeit: 13:40 ID: 51646 | Social Bookmarks: Die Auswirkungen von Feuchteschäden sind bei Holz aber um einiges heftiger. Während ich bei StB noch sinnvoll sanieren kann, verliert mein Holz bei längerer Feuchteeinwirkung eventuell seine Tragfähigkeit |
Registriert seit: 22.02.2005
Beiträge: 2.336
Kieler: Offline
Ort: Kiel
Hochschule/AG: Architekt Beitrag Datum: 14.12.2013 Uhrzeit: 17:01 ID: 51647 | Social Bookmarks: da ist doch gar kein Holz oberhalb der Dampfsperre... |
Social Bookmarks: Das wäre ja die Folge von zuviel Feuchtigkeit unterhalb der Notabdichtung/Dampfsperre bei unserem Beispiel. Generell kann aber allen Dächern (Beton, Holz) auch die Feuchtigkeit oberhalb der Notabdichtung/Dampfsperre Probleme bereiten, weil die darüberliegenden Dämmung bei Durchfeuchtung an Wirkung verliert und so die Bauphysik der Element unterhalb der Notabdichtung/Dampfsperre nicht mehr funktioniert. | |
Registrierter Nutzer Registriert seit: 13.11.2004
Beiträge: 1.832
mika: Offline
Ort: Berlin Beitrag Datum: 16.12.2013 Uhrzeit: 11:01 ID: 51660 | Social Bookmarks: Das sind ja jetzt alles Spekulationen und Zuspitzungen von möglichen Szenarien, die darauf hinauslaufen, dass Holz bei zu hoher Feuchte von holzzerstörenden Pilzen befallen werden kann, und dass das schwerwiegender ist als durchgerostete Bewehrung ist, und Holz daher grundsätzlich gefährlich sei. Ein Bauphysiker sollte eine Wufi-Bererchnung machen, um unter Berücksichtigung aller Einflußfaktoren zu beurteilen, ob es Verdunstungsreserven gibt, oder ob sich die anfallende Feuchtigkeit aufschaukelt, und was in dem Fall dagegen zu tun ist. Herr Mohrmann hat gottlob schon mal Grundsätze zusammengefaßt, die uns Architekten bei der Planung als Faustformeln dienen können. Ich finde Feuchtigkeit im Beton nicht weniger undenklich.
__________________ Grüße Michael "Warum soll etwas nicht so gut wie möglich sein ?" Ludwig Mies van der Rohe, 1964 |
Registrierter Nutzer Registriert seit: 20.01.2013
Beiträge: 78
lalahmpf: Offline
Beitrag Datum: 16.12.2013 Uhrzeit: 21:03 ID: 51666 | Social Bookmarks: keine Panikmache: nur der Hinweis, dass fehlerfreie Planung und (entscheidender Faktor!) Qualitätskontrolle der Ausführung beim Holzbau noch wichtiger sind, als bei anderen Bauweisen (StB z.B. hält fatale Bauphysikalische Zustände/falsch ausgeführte Anschlüsse und Folienführung wesentlich länger aus als Holz) |
| |
|
Ähnliche Themen | ||||
Thema | Autor | Architektur-Themenbereiche | Antworten | Letzter Beitrag |
Fassadenaufbau Holzkonstruktion! | Christopher | Konstruktion & Technik | 6 | 02.07.2008 22:45 |
Flachdach? | Nane | Konstruktion & Technik | 16 | 02.12.2006 16:40 |
Holzkonstruktion | tom1maurer | Konstruktion & Technik | 9 | 29.12.2005 23:42 |
Holzkonstruktion-Berlin | thirdeye | Konstruktion & Technik | 2 | 10.11.2002 14:24 |